Willkommen 2024. Du bist uns vielleicht nicht lieb, aber dafür teuer. Das dritte Jahr der Ampelkoalition bricht an: Der Niedergang ist ihre Erfolgsstory. Dieses Jahr: Man möchte sich leicht übergeben.
Da sind wir also: Im neuen Jahr. Es fühlt sich an wie das alte. Das ist ja jedes Jahr so, ist also nicht Außergewöhnliches. Dennoch hat man in diesem Jahr ein ganz besonderes flaues Gefühl. Denn dieses Jahr kommt uns teuer zu stehen. Nicht das Jahr selbst, sondern das, was in diesem Jahr daraus gemacht wird. Noch immer retten wir die Welt. Vor dem Klimawandel, in der Ukraine und wer weiß, vielleicht auch bald noch exzessiver in Israel.
Mein Friseur neulich: Was ist los mit euch Deutschen, ihr schickt Milliarden in die Ukraine und schickt nun auch noch Geld nach Israel und bei euch sammeln alte Menschen Pfandflaschen und wühlen im Müll! Man kann nicht sagen, dass mein Friseur einen Universitätsabschluss hat. Was sein Glück ist. Denn er lebt noch in der Realität. Er sieht die Wirklichkeit, weil er sich darin bewegt. Und nicht, wie viele Akademiker in Deutschland, in einer Parallelgesellschaft absteigt. Seit 2022 spürt man merklich, wie die Verarmung in der Mittelschicht ankommt. Man muss fürchten, dass diese Entwicklung nicht nur anhält, sondern sogar noch an Fahrt gewinnt.
Nach Terrorakt: Energie wird gewollt teurer
KiK-Jingle im Radio, Ende 2023: Das Jahr ist vorüber, das Sparen fängt erst an. Daher: Hol dir deine myKiK-Kundenkarte. Selten war ein Slogan so richtig. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, stimmt da mit ein: Die Zeiten der billigen Energie seien vorbei. Gerade so, als sei das ein Naturgesetz, an dem man kaum rütteln könne. Ob Müller eine myKiK-Kundenkarte hat, um gut durchs Jahr zu kommen?
Dass Energie weiterhin teuer bleibt, hat mit der Sturheit der politischen Klasse zu tun. Sie boxen die Erhöhung der CO2-Steuer durch. Und nach wie vor beziehen wir Gas aus Russland, nur kaufen wir es nicht mehr direkt »beim Russen«. Wir nehmen kostenintensive Umwege und Durchleitungsgebühren in Kauf. Nebenher sind das auch die Folgen eines Terroraktes: Auch Anfang 2024 müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass noch immer nicht klar ist, wer Nord Stream sprengte. Ein einzigartiger Vorgang in der menschlichen Geschichte: Da verübt jemand einen kriegerischen Akt und die Regierung des betroffenen Landes tut so, als sei nichts geschehen. Stell dir vor es ist Krieg – und keiner geht hin. Dieser Spruch ist vom US-Dichter Carl Sandburg und die Bundesregierung beherzigt ihn. Sie geht ja nicht hin, sie schickt Ukrainer. Und dort, wo sie hingehen müsste, ignoriert sie etwaige Vorfälle.
Nein, einen vergleichbaren Vorfall hat es vermutlich nie gegeben. Das Verdrängen dieses Vorfalles ist insofern ein Akt von historischer Tragweite. Wie wohl 2070 darüber gedacht wird?
In diesen weitreichenden Kategorien denkt ja auch Wirtschaftsministrant Habeck. In seiner Weihnachtsrede salbaderte er, dass 2023 rückblickend als ein großes Jahr gesehen wird. Hybris hat schon manchem zugesetzt. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass 2023 als ein großes Jahr in die Geschichte eingeht. 1914 war auch ein großes Jahr. Und 1939 ebenfalls. 2023 war sicherlich das große Jahr der Verarmung und Verknappung. Es hat Weichen gestellt, davon darf man schon jetzt ausgehen. Wenn in den kommenden Jahren politische Unsicherheit anbricht, wenn die Gewalt im Lande anwächst und die Menschen mehr und mehr ihren Gemeinsinn aufgeben, dann wird man an 2022/23 denken müssen.
Gesellschaftliche Kohäsionskräfte verflüchtigen sich weiter
In den letzten Jahren ist es modisch geworden, von Spaltung zu sprechen. Während der Virusepoche hat man sie angemahnt und sogar herbeigeredet. Etliche fanden es gut, wenn gespalten wird. Die anderen waren für diese freudig Erregten jedoch die Spaltpilze, obgleich diese anderen die Spaltung ja als Gefahr bezeichneten. Was mit dieser Spaltung gemeint ist: Gemeinsinn, die Kohäsionskraft der Gesellschaft – there is no such thing as society, hat Thatcher einst formuliert. Das war ausgemachter Unsinn. Natürlich gab es das. Und auch wenn sie immer von gegensätzlichen Interessen geprägt war – und genau das wollte die britische Premierministerin einst zum Ausdruck bringen –, es gab Grundsolidaritäten. Gefördert wurden die an bestimmten Orten der Gesellschaft.
Soziologen nennen diese Orte »intermidiäres System«. Das gilt als Transformator zwischen Bürger und Politik. Starke Organisationen wie Gewerkschaften haben einst als Massenbewegung gewirkt und neben sozialen Errungenschaften auch kulturelle Stabilität bewerkstelligt. Die Kirche zählte übrigens auch dazu. Ihre heutige eher schwache Stellung habe natürlich auch eine Lücke hinterlassen. Man könnte diese Einrichtungen als Vermittler betrachten. Aber wer vermittelt heute noch? Die Kirchen in Deutschland biedern sich an, in der protestantischen Kirche hört man, dass Gott queer sei – und der deutsche Katholizismus versucht gerade eine woke Ersatzkirche unter dem Label »synodaler Weg« zu installieren.
Gewerkschaften haben außerdem schon längst die Vermittlung auf ein sehr bürokratisches Level gehievt, dass es in ihnen ein Gesellschaftsleben gäbe, wie vor vielen Jahren, als Arbeiter nicht nur dort den Arbeitskampf organisierten, sondern auch ein Freizeitangebot vorfinden konnten, kann man aber wirklich nicht mehr behaupten. Wie fast an allen Stellen der Gesellschaft, fand auch gerade in den Gewerkschaften Vereinzelung statt. Die fortwährende Krise, in der wir uns seit vielen Jahren unter anderen Vorzeichen bewegen, hat diesen Prozess nochmal begünstigt – und stabilisiert. Eliten haben diese Entwicklung forciert. Und leben einen dekadenten Individualismus vor, der keine Rücksichten auf die Gesellschaft nimmt.
Die Kohäsionskräfte werden nirgends mehr gebunden und erneuert. Alles driftet davon, Menschen fühlen sich ungehört und unberücksichtigt. Auch dieses Jahr wird keine Renaissance des dringend benötigten Republikanismus mit sich bringen. Der Tribalismus geht munter weiter und die Verarmung schreitet voran. 2024 wird ein verschärftes 2023.