Warum wir das tun? Machen wir gar nicht. Aber vielleicht könnte man den folgenden Text dennoch so betiteln. Weil es halt auch nicht ganz falsch ist. Aber deswegen eben noch lange nicht richtig. Auch so ein Kniff der Qualitätslohnschreiber.
Pfarrer Quinton Ceasar rief vor einigen Wochen auf dem Evangelischen Kirchentag aus, dass Gott queer sei. Das war nur eine Sentenz des Geistlichen, seine ganze Rede wimmelte nur so von Wokismen. Sie hörte sich an, als hätte sie Ricarda Lang und Emilia Fester nach einem langen Abend im veganen Lokal um die Ecke geschrieben. Die Szenerie, als er sie verlas, war nicht evangelisch – sie war grün. Viele jubelten Ceasar zu. Annelena Baerbock trat auch auf, machte aber klar, dass sie gar nicht an Gott glaube. Bei der nächste Fleischereifachtagung doziert demnächst auch mal jemand mit veganem Fleischhass.
Gott ist queer! Es sei die Zeit, das endlich auszurufen, meinte der Pfarrer aus dem niedersächsischen Wiesmoor. Also rief er es aus. Denn er schien der Berufene zu sein. Seine »Predigt« wurde deutschlandweit mit viel Kopfschütteln quittiert. Viel Zuspruch schien es nicht zu geben, viele Protestanten sagten daraufhin, es sei die Zeit gekommen: Und traten aus der Kirche aus – so las man es in den Netzwerken, ob es stimmt, wissen nur die, die eventuell ausgetreten sind. Und dann gab es noch Zuspruch, die Tagesschau berichtete, dass sich die Kirche hinter den Pfarrer aus Wiesmoor stelle. Aber tat sie das wirklich?
Inszenierte Parteilichkeit
In dem Artikel geht es um zwei Kirchenobere: Einem gewissen Ralph Charbonnier, Vizepräsident des Landeskirchenamtes – und Joachim Liebig, Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Charbonnier äußert sich kritisch gegenüber den Hasskommentaren, die Ceasar geerntet habe. Und Hass, das gehe nicht, erklärte er. Inhaltlich bezog er keine Stellung. Das tat aber Liebig, der sagte: Dass Gott natürlich nicht queer sei, denn diese Einschränkung werde Gott nicht gerecht. Gott sei gar nicht auf ein Attribut festlegbar.
Anders betrachtet: Der Artikel, der mit der Zeile »Kirche stellt sich hinter Pfarrer aus Wiesmoor« betitelt war, las sich gar nicht so eindeutig als Verteidigungsrede auf Ceasar. Dessen »Gott ist queer« wurde sogar ausdrücklich kassiert, als zu simpel und theologisch falsch deklariert.
Das ist jetzt nun kein ganz großer Manipulationsversuch, nicht die riesige Propagandaentdeckung. Aber gleichgültig mit den Achseln zucken sollte man nicht. Denn diese Masche ist mit die beliebteste der deutschen Medienmacher. Die Inszenierung von Parteilichkeit: Selbst wenn ein Artikel eine kritische Note zum allgemeinen Regierungskurs und der verordneten Denkweise aufweist, kann man immer noch einen Titel wählen, der die Sache geraderückt. Und da wir in Zeiten des mobilen Wischens auf dem Display dazu übergangen sind, mehr und mehr nur noch Headlines zu vertrauen, ist der Titel ohnehin der wichtigste Satz eines verfassten Textes.
Man muss fast davon ausgehen, dass in den Redaktionen, die die Welt deuten, eine starke Hoffnung gehegt wird, dass gewisse Texte gar nicht erst gelesen werden. Geklickt schon, das bringt schließlich Aufmerksamkeit, Werbegelder und eine gute SEO-Performance. Aber inhaltlich erfassen, das muss ja nun nicht sein. Nur die Überschrift soll wirken, sie soll die Richtung weisen. Wenn der Rezipient die verinnerlicht hat, reicht es aus. Er muss sehen, dass unter dem Titel noch Fließtext mit inkludierten Signalwörtern steht. Denn es könnte ja passieren, dass er den Artikel überfliegt. Die Quintessenz, die man zu vermitteln beabsichtigt, sollte aber bitte in der Headline stecken.
Die Headline-Haltung
Der moderne Rezipient lässt sich seine Nachrichten auf sein Mobiltelefon oder Tablet werfen. Tinderesk wischt er dann von News zu News, von Schlagzeile zu Schlagzeile. Zeit ist Geld – und Geld hat niemand. Also bleibt man fixiert darauf, sich anhand von Headlines das Weltgeschehen vermitteln zu lassen. Die Anschauungen und Haltungen der breiten Masse sind demgemäß keine verinnerlichten Einsichten, die sich aus dem Prozess des Lesens und Reflektierens ergeben, sondern entsprechen der bloßen Headline-Schau.
Womöglich müssen wir davon ausgehen, dass der öffentliche Debattenraum so stark beeinflusst ist von dieser Wisch- und Überfliegenskultur, dass es genau diese Praxis ist, die den öffentlichen Diskurs verdummen lässt. Und das weiß man auch in den Redaktionen; diese Praxis ermöglicht eine Form des Lügens ohne Lüge, wie im oben genannten Beispiel gesehen. Hängen bleibt nur die gefettete Schrift oberhalb eines Textes. Wenn sie eigenwillige Interpretationen des Textes wiedergibt, kann man damit ein Bild entstehen lassen, wie man es gerne hätte – wie es aber nicht unbedingt ist.
Nehmen wir mal Sawsan Chebli, die Berliner SPD-Politikpantomimin, die sich stets und überall dem Hass entgegenstellt, den sie selbst provoziert. Es ist wahr, dass es sehr unflätige, auch sehr justiziable »Meinungsbeiträge« zu ihrer Person in den sozialen Netzwerken gibt. Manche drohen mit physischer Gewalt. Andere sind auf wirklich geschmacklose Weise beleidigend. Alles keine Frage. Wir verurteilen diese Beiträge auch, halten sie für falsch. Ein Mindestmaß an Stil und Anstand gilt es zu bewahren. Wir verstehen aber sicher auch, woher diese Reaktionen kommen.
Die letzten Sätze haben die Headline dieses Textes verursacht. Was Sie nicht wissen, wenn Sie diesen Text nicht lesen sollten. Denn der schließt mit folgendem: Sawsan Chebli ist eine groteske Figur dieses Zeitgeistes. Inhaltsleer, ohne Kompetenzen und weinerlich. Sie nutzt ihre Parteimitgliedschaft und ihr Mandat, um sich zu inszenieren: Als Aktivistin und Opfer. Sie ist das Gesicht des Sitten- und des Bildungsverfalls. Nicht sie alleine, aber sie an vorderer Front mit. An ihr kann man kaum ein gutes Haar lassen. Sie ist peinlich und Ausdruck einer Haltung, die nichts als billige Koketterie ist. Ihre Attitüde ist weder demokratisch noch in irgendeiner Weise für das Gemeinwesen wertvoll. Wenn Sie aber nur lesen, dass wir die Frau verteidigen, erzählen Sie das später so weiter und Chebli wird damit salonfähig, schließlich nimmt sie alle Welt in Schutz – sogar Schwurbelblogger wie wir.