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Plädoyer für ein Leben ohne Twitter

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Für mich lief es auf Twitter in letzter Zeit nicht gut. Die Diskussionen waren unbefriedigend und beleidigend, meine Beiträge wurden prinzipiell gemeldet. Inzwischen bin ich dauerhaft blockiert. Zunächst hatte ich geplant, mit einem neuen Profil zurückzukehren. Ich werde es nicht tun. Warum, erzähle ich hier.

Ich war längere Zeit auf Twitter recht aktiv. Ich vertrete eine aufgeklärte Sichtweise, in welcher auch der Standpunkt eines vermeintlichen Gegners einen Raum hat. Beim “Gegner” handelt es sich um Russland, dessen Position und Argumente sich in den deutschen Medien entweder gar nicht oder nur stark verzerrt wiederfinden. So konnte es passieren, dass die Deutschen, wenn es um die jüngsten Entwicklungen in der Geschichte geht, unentwegt von der Annexion der Krim und von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine faseln. Beides ist fragwürdig, zumindest diskussionswürdig. Dass alle Fragen und jede Diskussion dazu unterbleiben, bezeugt den desinformativen Charakter der deutschen Medien.

Wie desinformiert die Deutschen sind, wird auf Twitter besonders deutlich. Denn dort wird jemand wie ich, der eine andere Meinung vertritt, munter drauf los angezeigt. An guten Tagen erhielt ich fünf, sechs, sieben Nachrichte, die mir mitteilten, das ein Nutzer meinte, Tweets von mir würden gegen die Nutzungsbedingungen von Twitter verstoßen. Schließlich hat es dann geklappt und Twitter hat mich gesperrt.

Die ganzen Beleidigungen und Drohungen, die ich dagegen bekam fand Twitter selbstverständlich nicht der Rede wert. Ich habe es dann einfach über mich ergehen lassen.

Ich bin auf Twitter gesperrt

Nun gut. ich bin gesperrt auf Twitter, Warum genau, weiß ich nicht, irgendwas mit den Regeln. Gegen welche konkret und wodurch konkret ich verstoßen haben soll, wurde mir nicht mitgeteilt. Inzwischen ist es mir auch egal, denn es geht mir ohne Twitter besser.

Zunächst hatte ich geplant, mir einfach einen neuen Account anzulegen. Ich lasse es sein.

Es gibt in den Diskussionen eine offenkundige Asymmetrie, an der sich ein zentrales Dilemma der deutschen Informationslandschaft ablesen lässt. Um zu zeigen, dass ich mit meinen Behauptungen nicht recht habe, werden deutsche Medien zitiert. Diese aber informieren über die Vorgänge in Russland nicht sachgemäß und sind selbst Teil der Kriegsführung. Die Diskussion verläuft dann strukturell immer gleich: Der Aussage eines russischen Mediums wird ein Zitat aus einem deutschen Medium gegenübergestellt, das belegen soll, dass die russische Seite lügt. Nun ist es aber meist andersrum. Die deutschen Medien berichten ganz regelmäßig die Unwahrheit, wenn es um Russland geht. Das ist aber nur schwer zu vermitteln, denn das bricht mit dem deutschen Selbstverständnis. Nach dem Selbstverständnis vieler Deutscher haben wir in Deutschland selbstverständlich den besseren Journalismus. Deutsche Politik ist zudem der russischen moralisch weit überlegen, ist eine weitere Grundannahme. Beides ist falsch.

Deutsche Außenpolitik ist moralisch absolut verkommen – der allerletzte Dreck. Deutschland paktiert mit jedem rechts-reaktionären Geschmeiß in dieser Welt, denn Deutschland ist im Kern selbst rechts und reaktionär. Die frisch entbrannte Liebe zu LGBT und Diversität verdeckt das nur ganz spärlich und ohnehin nur zum Schein. Gibt es irgendwo auf der Welt einen rechten Putsch, ist Deutschland, sind die Konrad-Adenauer- und die Heinrich-Böll-Stiftung nicht weit. Hält sich irgendwo in der Welt ein rechts-autoritäres, korruptes Regime mit Gewalt an der Macht – man kann sicher sein, es tut es unter anderem mit deutschem Steuergeld. Davon weiß der Nutzer deutscher Qualitätsmedien natürlich nichts, denn die großen deutschen Medien haben einen anderen Zweck. Sie klären nicht auf, sondern verschleiern und stiften so jenes wohlige Überlegenheitsgefühl aus dem der gemeine deutsche Twitternutzer gegen die Realität anzwitschert.

Es ist eine Wohltat

Das beschreibt in etwa einen gehobenen Dialog, der schließlich in Beleidigung mündet. Viel häufiger ist allerdings, dass der einleitende Teil unterbleibt und sofort beleidigt wird. In meinem Profil stand, dass ich unter anderem für RT DE schreibe. Das ist auf Twitter hinreichend für eine durch die gesamte vulgäre Breite und Tiefe der deutschen Gossensprache durchdeklinierte Abqualifizierung. Denn jeder Deutsche weiß inzwischen, RT betreibt Desinformation. Nur nach einem konkreten Beispiel für die wahlweise vom Kreml oder von Putin selbst finanzierte russische Desinformation gefragt, kommt dann außer Allgemeinplätzen nichts. Das ist kein Zufall, denn es gibt solche Beispiele schlicht nicht. Die deutsche Propaganda-Taktik ist, durch beständige Wiederholung für die deutschen Medienkonsumenten diese Realität zu schaffen.  So plump das ist, so gut funktioniert es.

Ich bin jetzt nicht mehr auf Twitter und es tut mir gut. Es tut mir gut, denn Twitter ist keine soziales Netzwerk. Ich habe mich grundlegend im Wesen des Formats getäuscht Twitter ist ein als soziale Plattform getarntes Meinungsmedium, das eine strenge redaktionelle Auswahl trifft. Vermutlich werden die Hälfte der anonym angreifenden Troll-Accounts von  deutschen Redaktionsstuben aus gesteuert. Twitter ist ein Propagandaorgan der westlichen Indoktrination und Desinformation. Das Medium dient nicht dem Austausch und der Information, sondern der Manipulation der öffentlichen Meinung, indem strukturell festgelegt ist, welche Meinung und welche Fakten dort geäußert werden dürfen und welche nicht. Twitter ist Gegenaufklärung und Reaktion in  280 Zeichen gegossen.

Twitter ist in Russland aus gutem Grund verboten

Twitter ist in Russland verboten. Im nach Strich und Faden desinformierten Deutschland legt man das als Einschränkung der Meinungsfreiheit aus. Das ist natürlich ein absoluter Witz, denn nirgendwo in Europa ist die Meinungsfreiheit aktuell so vollständig und dabei so kunstvoll verdeckt eingeschränkt wie in Deutschland. Und die angeblich verbotene russischen Medien sind nach wie vor aktiv. Korrigiert wird die Desinformation in deutschen Medien natürlich nicht.

Und was Twitter anbetrifft: Twitter war schlicht nicht bereit, sich an russische Gesetze zu halten und hat nach russischen Gesetzen verbotene Inhalte auch nach mehrfacher Aufforderung nicht gelöscht. Twitter macht in Russland genau das Gegenteil von dem, was die Plattform in Deutschland macht. Legt es in Deutschland im Einzelfall die deutsche Gesetzgebung sehr eng aus, hält es sich im Falle von Russland überhaupt nicht an gesetzliche Vorgaben. Auch das ist ein weiterer Beleg dafür, dass es sich bei Twitter um ein redaktionelles Medium mit einer eigenen politischen Agenda handelt, die durch die Auswahl und Zensur von Nutzerbeiträgen umgesetzt wird.

Ich jedenfalls kehre nicht auf Twitter zurück. Es gibt genug Alternativen. Insbesondere die russischen Netzwerke wachsen und sind wesentlich liberaler und toleranter als westliche Plattformen wie Twitter und Facebook, wo die Zensur, die Sperrung und Einschränkung von Accounts zum Alltag gehört. Aber ich bin mir absolut sicher, das der gemeine deutsche Twitternutzer all diese einschränkenden Maßnahmen anders bewertet: Als Ausdruck von Freiheit und der Überlegenheit der westlichen Werte gegenüber einer Autokratie wie Russland.

Gert-Ewen Ungar
Gert-Ewen Ungar
Gert Ewen Ungar legte sich kurz nach dem Abi sein Anagramm zu. Er und seine Freunde versprachen sich damals bei einem Kasten Bier, ihre Anagramme immer für kreative Arbeiten zu verwenden. Dass sein Anagramm jemals mehr als zehn Leuten bekannt werden würde, war damals nicht abzusehen und überrascht ihn noch heute. Das es dazu kam, lag an seinem Blog logon-echon.com. Mit seinen Berichten über seine Reisen nach Russland stiegen die Zugriffszahlen und es entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit RT DE. Anfang 2022 stieß er zu den neulandrebellen und berichtet über Russland, über Politik, über alles Mögliche.

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