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Facebook setzt auf Zermürbung – und befördert mich ins Jenseits

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Facebook hat mein komplettes Profil gelöscht. Alles. Ohne Gnade. Ich kann nicht sagen, dass mich das überrascht. Aber ich denke, es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Meinungsfreiheit auf dem Weg ins Nirwana ist – zumindest, wenn die geäußerte Meinung nicht gefällt.

Bevor ich den Vorgang schildere, der letztlich zur Löschung meines Profils geführt hat, möchte ich kurz ein Statement zum Thema Meinungsfreiheit bzw. Zensur abgeben.

Auf Wikipedia ist zum Thema „Zensur“ nachzulesen:

Zensur (lateinisch censura) ist der Versuch der Kontrolle der Information. Durch restriktive Verfahren – in der Regel durch staatliche Stellen – sollen Massenmedien oder persönlicher Informationsverkehr kontrolliert werden, um die Verbreitung unerwünschter oder ungesetzlicher Inhalte zu unterdrücken oder zu verhindern.[1][2] Nicht nur totalitäre Staaten können Zensur durchführen.

Da es nicht der Staat, sondern Facebook war, das meine Meinung in ein tiefes Loch geworfen hat, kann man natürlich argumentieren, dass es sich in diesem Fall nicht um Zensur handelt. Es sind die Entscheidungen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens, die ich zu akzeptieren habe. Allerdings setzt die Bundesregierung Facebook und andere soziale Netzwerke schon seit Langem massiv unter Druck, wenn es um „Hassrede“, „Hetze“ oder „Fake News“ geht. Eine Hand wäscht die andere, und niemand will’s gewesen sein.

Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung beruhigen oder neutralisieren wird. Im Gegenteil, vermutlich sind wir erst am Anfang einer insgesamt fatalen Entwicklung. Und auch wenn mir Leser und Kommentatoren vorhalten mögen, dass es sich bei dem nun folgenden Vorgang nicht um Zensur handelt, entgegne ich entspannt: Danke, ich nehme das zur Kenntnis.

Der langsame „Tod“ auf Facebook

Wir sind mit unserem Blog schon eine ganze Weile auf Facebook. Über Zensur brauchten wir uns in der ersten Zeit nicht aufzuregen. Wir konnten posten, was wir wollten, auch Werbeanzeigen schalten, wann immer uns der Sinn danach stand.

Das änderte sich vor ca. einem halben Jahr. Plötzlich wurden Anzeigen abgelehnt, selbstredend immer mit der Begründung, wir verstießen gegen die Gemeinschaftsstandards. Eine genauere Begründung hinsichtlich der Frage, gegen welche Punkte genau wir verstoßen hätten, blieb aus. In unserer Verzweiflung führten wir ein Telefonat mit Gott, Der uns jedoch auch nicht weiterhelfen konnte und nur müde entgegnete: „Puuuh, da habt Ihr jetzt den falschen Ansprechpartner erwischt. Die Gemeinschaftsstandards müssen irgendwann nach Sonntag formuliert worden sein, da war ich aus der Planung schon raus “

Das war also nichts.

Dann, im März 2020, kam es zu unserer ersten Sperrung, temporär. Wir hatten ein Bild gepostet (das einen hässlichen Mann mit Schnauzer und Seitenscheitel und einen Turnschuh darstellte und das im Übrigen eine Weile nahezu überall auf Facebook zu finden war). Gesperrt wurde nur einer von uns, der andere entfernte brav das Bild und saß die Sperre aus.
Das war am 17. März 2020.

Und es wurde heftiger.

Des Führers Turnschuh

Am 1. Mai 2020 wurde ich erneut gesperrt, für drei Tage. Ich sollte angeblich erneut dieses Bild mit dem Turnschuh und dem Mann mit dem Schnauzer gepostet haben. Mein Hinweis an den Support, dass das nicht korrekt ist, wurde geflissentlich ignoriert.

Und das Spiel ging weiter. Noch dreimal soll ich das böse Foto gepostet haben, am 9. und am 27. Mai, am 27. sogar gleich zweimal an einem Tag. Diesmal machte ich eine andere Mailadresse ausfindig, an die ich mich mit meinem neuerlichen Anliegen wandte. Ein Justin schrieb mir:

Offenbar wurde dein Konto vorübergehend für die Verwendung bestimmter Facebook-Funktionen gesperrt. Blockierungen sind vorübergehend und können mehrere Stunden oder Tage dauern.

Facebook hat Richtlinien festgelegt, um Verhaltensweisen zu unterbinden, die andere Personen als belästigend oder beleidigend empfinden könnten. Wir haben festgestellt, dass du eine Funktion auf eine Weise verwendest, die als beleidigend empfunden werden kann, selbst wenn dies von dir unbeabsichtigt ist.

Mein Hinweis, dass ich das besagte Bild nicht gepostet habe, schien insgesamt zu komplex zu sein, denn Justin teilte mir melancholisch mit:

Leider können wir die Frage, du die uns gestellt hast, hier nicht beantwortet. Das heißt aber nicht, dass wir dir nicht helfen können. Wenn du etwas melden möchtest, folge bitte den Anweisungen unter dem Link weiter unten:

Justin konnte mir also meine Frage, „du die uns gestellt hast“, nicht „beantwortet“, verwies mich aber auf den Link, den ich wohl bereits zwölfundzwanzig Mal angeklickt hatte – selbstverständlich ohne den Ansatz einer Lösung zu finden.

Da ich inzwischen ein wenig emotionalisiert war, antwortete ich erneut, dass ich das Foto nicht gepostet habe, weder am 1. Mai noch am 27. Mai. Das nötigte Justin, sich bei mir zu bedanken:

Danke, dass du Facebook kontaktiert hast. Weitere Informationen zu unseren Funktionen, Antworten auf häufig gestellte Fragen und Kontaktformulare findest du im Hilfebereich:

Ich erspare den Lesern das Einfügen des Links, der so hilfreich ist wie Smarties, die man sich bei Ohrenschmerzen in die Lauscher schiebt.

Dann der plötzliche „Tod“

Am 31. Mai 2020 wurde mein privates Profil von Facebook entfernt. Dauerhaft und komplett. In einer Mail erfuhr ich, dass ich erneut gegen die Gemeinsch … Ihr wisst schon, verstoßen hatte. Diesmal erfuhr ich aber auch, warum:

Dein Konto wurde aufgrund eines Verstoßes gegen die Facebook-Nutzungsbedingungen deaktiviert.

Unsere Richtlinien
Eines der Hauptanliegen von Facebook ist das Wohlbefinden und die Sicherheit unserer Mitglieder. Folgende Aktionen sind auf Facebook nicht erlaubt:

• Unterstützung gewalttätiger und/oder krimineller Organisationen oder Gruppen
• Glaubwürdige Androhungen von Gewalt anderen gegenüber oder positive Darstellung selbstzerstörerischen Verhaltens
• Herausgreifen von einzelnen Personen auf der Website
• Hassrede oder das Herausstellen von Personen basierend auf Rasse, Ethnizität, nationaler Herkunft, Religion, Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Behinderung oder Krankheit
• Explizite Inhalte, einschließlich sadistischer Darstellungen von Gewalt gegenüber Menschen oder Tieren sowie Darstellungen sexueller Übergriffe
• Verkauf von Freizeitdrogen oder Medikamenten

Offenbar konnte ich mir aussuchen, welcher oder welche der Vorwürfe auf mich zutrafen, und da ich bisher der Meinung war, dass nichts von dem, was dort zu lesen war, innerhalb meines Tätigkeitsbereichs eine Rolle spielt, war ich dann doch sehr überrascht.

Nun muss ich natürlich zu meiner Schmach einräumen, dass ich zwei Tage zuvor einen Artikel mit dem Titel „Attila, der „Dummenkönig“ oder: Wie wir die Meinungsfreiheit über die Klippe rollen lassen“ geschrieben und publiziert hatte.

Geneigte Interessierte mögen diesen Text lesen und danach beurteilen, ob er für eine vollständige Sperrung meines Profils ausreicht. Meiner persönlichen Meinung nach kann man den Text kritisieren (was kann man denn nicht kritisieren?), aber er enthält ganz sicher keine Inhalte, die die Vorwürfe Facebooks rechtfertigen könnten.

Das war es mit mir und Facebook.
Fast jedenfalls.

Wo soll das enden?

Ich mache mir nichts vor. Wir sind ein eher kleiner Blog mit einer übersichtlichen Reichweite. Diese wurde künstlich noch ein wenig eingeschränkt, weil Facebook vor der Löschung meines Profils auch die Fan-Seite der Neulandrebellen auf „nicht mehr öffentlich“ gestellt hatte. Wir machten eine neue Seite mit einem abgewandelten Namen auf und begannen erneut, mühsam Likes, Bewertungen und Kommentare zu sammeln.

Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch unsere neue Facebook-Seite wieder entfernt wird. Wir orientieren uns nun um, weil der Stress mit Facebook zermürbend war und Zeit und Nerven gekostet hat. Er gibt ja noch andere Plattformen.

Aber das ist nicht der Punkt. Es geht darum, dass selbst eine so kleine und eher unbedeutende Seite wie unsere offenbar Facebook (und wem auch immer) ein Dorn im Auge ist. Ausgerechnet wir! Wir mögen uns gar nicht ausmalen, wie diese Entwicklung weitergehen wird und wann auch Seiten schikaniert und letztlich gesperrt werden, die deutlich mehr Reichweite als wir haben. Es gibt ja genügend hochwertige Formate, die als Gegenöffentlichkeit eine Rolle spielen.

Bevor ich schließe, möchte ich noch Stellung zu einigen Hinweisen nehmen, die darauf abzielten, dass mich bzw. uns vielleicht einfach jemand denunziert haben könnte. Das ist zwar – insbesondere im Corona-Zeitalter – durchaus denkbar, in diesem konkreten Fall aber unmöglich. Denn das oben angesprochene Foto gab es ja nach dem 17. März 2020 gar nicht mehr, wir haben es weder auf unseren privaten Profilen gepostet noch bei den Neulandrebellen. Denunziation kann man hier also ausschließen, die Initiative konnte nur von Facebook ausgehen, da nur Facebook Kenntnis von diesem Bild hatte, das wir seit März nicht mehr „angefasst“ haben.

Fazit

Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt und immer mehr alternative Medien betrifft, wird die Meinungsvielfalt nach und nach ausgelöscht werden. Die hochgelobte Meinungsfreiheit, von der immer die Rede ist, wird nach und nach aufgehoben, und sie wird sich mit Gemeinschaftsstandards und Richtlinien erklären. Was am Ende übrig bleibt, sind Meinungen, die ungefährdet sind, hinterfragt, kritisiert oder in Frage gestellt zu werden. Das ist gefährlich und führt zu einer gedanklichen Gleichschaltung, die uns alle ganz mächtig auf die Füße fallen wird.

Wir machen daher jetzt am Ende dieses Textes etwas, das wir sonst in dieser Penetranz nicht tun: Wir bitten Euch, diesen Beitrag möglichst breitflächig zu teilen. Wenn es dumm kommt, können wir das gar nicht mehr verfolgen, weil wir womöglich endgültig von Facebook verbannt werden, bevor wie selbst das Weite gesucht haben. Aber um uns persönlich geht es hier nun wirklich nur am Rande. Und diese scheinbar heroische Haltung meinen wir tatsächlich ernst.

Bleibt gesund.
Und bleibt aufmerksam und kritisch.

Tom Wellbrock, mit Unterstützung von Roberto De Lapuente

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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