13.8 C
Hamburg

Auch mal wieder ein bisschen positiv denken

Published:

Das Klima: Nicht zu retten. Die Gesellschaft: Nicht auszuhalten. Die Jugend: Pffft. So sehe ich das jedenfalls. Sorry. Was mir fehlt, ist wohl etwas Optimismus und positive Energie. Ich weiß doch, dass es so nicht weitergeht mit mir.

Kennt ihr Marvin? Marvin aus Adams‘ »Per Anhalter durch die Galaxis«? Das ist ein melancholischer, ja ein manisch-depressiver, teilweise suizidaler Roboter. So ein klein wenig komme ich mir vor wie dieses Geschöpf künstlicher Intelligenz. Nur halt ohne Suizidgedanken. Und ohne Künstlichkeit. Und was die Intelligenz betrifft: Darüber wird immer wieder mal gestritten. Aber solange sie einen für dumm halten, lebt man wenigstens noch. Doch etwas Positives zu finden: Da geht es mir wie dem KI-Melancholiker.

Wirklich, mir fällt es wirklich schwer was Gutes zu finden. Ich bin schon ein Stinkstiefel. Aber ich behaupte, ich bin ein witziger Stinkstiefel. Spaß verstehe ich ja, so richtig verbissen bin ich nicht mehr. Mein Blick auf die Welt führt mitnichten dazu, wie der Grantler Tetzlaff zu wüten. Ich werde eher gleichgültiger, wende mich ab und ziehe mich ins Private zurück, wo das Weltgeschehen von mir dosiert werden kann. Dennoch belastet es mich, dass es so schwierig geworden ist für mich. So gleichgültig will ich nämlich gar nicht sein.

Alles Scheiße!

Wenn ich die Straße betrete und unserer Gesellschaft beim Ego-Shooten zusehe, wie jeder beim individuellen Überlebenskampf mittels Ellenbogen rücksichtlos seine Vorteilsnische sucht, dann ist mir eigentlich klar, dass der Gemeinsinn als Konzept abgewirtschaftet hat. Ich glaube, da kann man noch so sehr umschulen wollen: Das kriegt man nicht mehr raus aus den Leuten. Egoismus ist ein Gewohnheitsrecht geworden. Unsere liberale Gesellschaft gerät auch deswegen in den Nachteil gegenüber Asien, weil asiatische Gesellschaften sich davor bewahrt haben, sich Einzelinteressen voll und ganz auszuliefern.

Damit geht es schon mal los. Wie der Klimaschutz ausgefochten wird, da geht es gleich weiter. Daran kann ich nichts finden. Viel Moralin, wenig Inhalte. Kann ja auch nicht, denn Inhalte betreffen die Art wie wir leben. Und wer will die wirklich auf den Prüfstand stellen? Sicher nicht die jungen Leute, die am Freitag nicht zur Schule gehen und am Samstag bei Primark einkaufen. Und überhaupt, wie kann man sich als staatliche Institution so vorführen lassen und Schulabwesenheiten aus falscher Rücksichtnahme einfach nicht sanktionieren? Da sind wir wieder beim Punkt: Weil wir in einer Schlappschwänzgkeit darben, die nicht gut sein kann. Gemeinsinn heißt eben auch: Regeln gelten! Punkt. Was wir uns da heranziehen sind Leute, die das nie gelernt haben werden, die stets individuelle Bemessungen erlebten und das auch künftig für sich so halten wollen.

Neulich habe ich mir ein kleines Büchlein zum Thema Klimaschutz ausgeliehen. Ich wollte wissen, ob ich was übersehe. Speziell beim Punkt Klimapolitik. Aber in dem Machwerk gab es im Grunde nur drei Pfeiler, was empfohlen wurde: Zunächst brauchen wir eine internationale Klimapolitik. Dann müsse man natürlich Emissionen einpreisen. Und zuletzt: Die sanfte Macht der Moral beachten. Puh, ganz schön wenig. Das ist ja der Grund, warum ich nicht glaube, dass das veränderbar ist. Ich wünschte es mir ja, aber mit so lauen Ratschlägen kommt man nicht weit. Im Grunde hätte der britische Chef von Extinction Rebellion schon recht, als er durchschimmern ließ, dass demokratisch wenig zu bewegen ist. Da ich aber die Demokratie nicht aufgeben möchte, bleibt mir nicht viel, woran ich meine Hoffnung verschwenden kann.

Think positive: Man muss auch mal das Gute sehen

Ja, ich weiß, genug geätzt. So kann man doch nicht leben, kriegt ein Magengeschwür oder sonst ein Problem mit dem Magen. Das kann ich euch verraten: Habe ich schon. Ob es Stress oder Ärger ist, weiß ich nicht. Vielleicht liegt es auch ganz materialistisch an irgendwelchen Darmkulturen. Dazu neige ich eher. Bin nämlich kein Romantiker, sondern Materialist. Mit sanfter Macht der Moral oder Magenbelastung durch Ärger muss man mir nicht kommen. Ich halte solche Soft Skills zwar für förderlich, sie können was begünstigen – aber alleine haben sie keine geballte Kraft. Da braucht es schon mehr. Romantik ist aber wieder im Trend, habe ich schon gemerkt. Das nervt mich bei zahllosen Diskussionen – ich wollte nicht mehr ätzen, Entschuldigung.

Was ich jetzt brauchen würde wäre Erbauung. Es gibt so viel Think-positive-Literatur heute. Warum wohl? Weil es einen Markt gibt. Leute wie mich, die positive Energie benötigen, weil sie so negativ und zynisch sind. Positive Energie? Wieder so eine Hokuspokus-Formulierung – ich könnte geradewegs kotzen. Als ob Pessimismus und eine negative Grundhaltung überhaupt was Verwerfliches wären! Sind sie nicht! Ich meine, nur weil ich so bin, bin ich ja nicht zwangsläufig ein schlechter Umgang. Natürlich mosere ich viel, aber ich bin nicht unfair und gemein. Wer kam noch mal auf die Idee, mir eine positive Einstellung vermitteln zu wollen? Achja, ich selbst war das – ich Idiot!

Was ist das eigentlich für eine Art von Publizistik, die Menschen zu einer besseren Haltung bringen möchte? Das ist doch verdammt nochmal nicht die Aufgabe von Autoren. Wenn ein Klempner glaubt, er müsse mir kardiologische Ratschläge erteilen, halte ich ihn ja auch für vermessen und glaube, er habe zu viel am Siphon geschnüffelt. Das Gute sehen? Wenn ich das schon höre. Klar, ich leugne nicht: Es gibt Gutes. Aber meist ist es nicht das, was man uns Pessimisten als Gutes andrehen will. Und sich einfach bloß zu zwingen, ein bisschen positiver zu denken: Sorry, aber das ist doch Humbug. Verfluchte Esoterik für Leute, die den Intellekt eines Haufens Scheiße haben. Bei so einem Gewichse kriege ich Ausschlag. Diese Lebensberater machen das aus genau einem Grund: Weil sie zu blöd für alles andere sind! Wenn ich ehrlich bin, mir geht es gerade ein bisschen besser. Positiv zu denken hilft zuweilen also doch …

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

Related articles

spot_img

Recent articles

spot_img