Vorbemerkung: Der folgende Text ist ein Gastbeitrag eines Hörers unseres letzten Podcasts mit dem Titel „Das Klima als Religionsersatz oder: Sind wir noch zu retten?“. Der Gastautor war mit dem, was wir im Podcast sagten, nicht einverstanden und hat von uns die Möglichkeit erhalten, sich dazu zu äußern.
Der Inhalt dieses Artikels spiegelt ausschließlich die Sicht des Verfassers wider.
von Ingo Heinscher
Ein wesentliches Problem in der heutigen Klimawandeldebatte wurde auch kürzlich im Neulandrebellen-Podcast deutlich: Fast niemand, auf keiner Seite in der deutschen öffentlichen Debatte, versteht, was denn die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels sein werden.
Selbst die oft großartige Satiresendung „Die Anstalt“ beschränkte sich in ihrer letzten Sendung auf den Anstieg des Meeresspiegels – der zwar für sich genommen auch schrecklich für die Betroffenen sein und gigantische Schäden verursachen wird, aber keineswegs die schlimmste zu erwartende Auswirkung des anthropogenen Klimawandels darstellt.
Hin und wieder wird Akteuren in unseren Medien die Gelegenheit gegeben, auszusprechen, dass es um das Überleben unserer Zivilisation, vielleicht auch der Menschheit gehe. Leider kommt es dann (meines Wissens) im deutschen Sprachraum nirgendwo zu einer Erläuterung, wie denn dieser Massentod im Einzelnen stattfinden wird.
Vor 55 Millionen Jahren gab es ein – weitgehend rätselhaftes – Temperaturmaximum, das plötzlich kam, zweihunderttausend Jahre blieb und sich dann wieder auspendelte. Binnen weniger tausend Jahre stieg die Temperatur (die schon davor etwa 4 Grad höher war als heute) um etwa 6 Grad Celsius. Insgesamt war es damals also etwa 10 Grad wärmer als heute. Zum Vergleich: nach derzeitigen Berechnungen gehen Wissenschaftler davon aus, dass wir bis 2100 infolge von Rückkopplungen 7 Grad erreichen werden und bis 2200 wohl die 10 Grad, wenn sich nichts an unserer Lebensweise ändert.
Als Folge der 6 Grad Erderwärmung haben die Paläontologen verschiedene drastische Auswirkungen identifiziert:
– Die Temperaturspreizung schrumpfte weltweit von 22 Grad zwischen (damals zuvor schon eisfreien) Polen und Äquator auf 6 Grad – mit anderen Worten, an den Polen war es im Mittel nicht wesentlich kälter als am Äquator. So hat man beispielsweise Reste von subtropischer Kresse an den Polen gefunden.
– Wahrscheinlich als Folge und rückkoppelnd auch wiederum Ursache davon starb eine erhebliche Menge an Biomasse ab.
– Das Klima wurde weltweit, außer in extrem nördlichen und extrem südlichen Breiten, erheblich trockener; erheblicher Trockenstress bei Pflanzen und Tieren dieser Zeit war zu beobachten, Tier- und Pflanzenarten wurden erheblich kleiner.
Anders gesagt, der gesamte Planet wurde zu einer Wüste mit ein paar Regenwaldgebieten. Und dieser Prozess dauerte einige Jahrtausende, während wir heute von vergleichbaren Veränderungen in den nächsten 180 Jahren sprechen.
Was bedeutet das aber konkret für unsere Zivilisation? Wissenschaftler wie Hans Joachim Schellnhuber prognostizieren, dass unser Planet bereits bei einem Temperaturanstieg um 3 Grad (derzeitig zu erwarten im Jahre 2070, wenn wir keine positiven Rückkopplungseffekte beachten, welche alles beschleunigen, und welche es nachweislich gibt) mit der Ernährung von einer Milliarde Menschen überfordert sein wird. Das aber heißt, dass wir unter diesen Bedingungen beobachten und am eigenen Leib erleben werden, wie 90% der Weltbevölkerung schlicht verhungern werden. Bis 2070, wohlgemerkt; natürlich sterben diese Menschen nicht alle auf einmal.
Wer sich die menschliche Geschichte anschaut, der weiß, was passiert, wenn Nahrungsressourcen drastisch knapp werden. Dazu muss man nicht mal Jahrhunderte oder auch nur mehrere Jahrzehnte zurückgehen; 2011 kulminierte eine Serie von Dürren in Syrien in Kombination mit weiteren Faktoren in einem blutigen Bürgerkrieg, dessen Auswirkungen konkret bis nach Deutschland zu spüren sind. Hunger macht, ganz banal, schlechte Laune. Es ist durchaus möglich, dass Syriens Dürre und der folgende Bürgerkrieg bereits die ersten Vorboten der Klimakatastrophe waren.
Lange vor dem Hungertod des überwiegenden Teils der Menschheit in diesem Jahrhundert wird also, wenn in Sachen Klimawandel alles auf dem aktuellen Gleis weiterläuft, eine Serie von brutalen Kriegen über die Menschheit hereinbrechen – Bürgerkriegen, aber auch „symmetrischen Konflikten“ um fruchtbares Land – die Menschheit dezimieren. Das wird wohl, selbst wenn man vorsichtig linear extrapoliert, keine 30 Jahre mehr dauern. Selbst das IPCC rechnet bis 2050 weltweit mit bis zu 1 Milliarde (sic) Klimaflüchtlingen auf der Welt.
Lustiger Fakt am Rande: Deutschland wird wahrscheinlich (wenn wir die oben angesprochene Zeit vor 55 Millionen Jahren als Indikator nehmen dürfen) weiterhin fruchtbares Land sein. Wem das dann gehört, hängt in Zeiten der lebensbedrohenden Knappheit dieses Gutes natürlich von militärischer Stärke ab; insofern ist es wahrscheinlich klug, dass die Bundesregierung aufrüsten möchte, auch wenn ich bezweifle, dass sie diese Problematik auf dem Schirm hat.
Alle diese Aussichten sind im Wortsinne schrecklich und geeignet, Menschen in den Selbstmord zu treiben – dies scheint tatsächlich auch bereits stattzufinden unter jenen, die sich eingehend informieren.
Aber es ist durchaus möglich, diesen Alptraum zu verhindern. Nicht mit persönlichem Verzicht natürlich – entsprechendes Handeln ist nichts weiter als ein Placebo für Leute, die das mörderische Gewicht des Problems erahnen und sich irgendwie besser fühlen wollen.
Nein, die Lösung kann nur in technischen Lösungen liegen – also dem einzigen Mittel, das in der Menschheitsgeschichte je funktioniert hat, um eine auf Ressourcenbegrenzungen basierende Krisensituation friedlich zu bewältigen.
Denn die Ursache des ganzen Problems ist nur und ausschließlich die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Nicht das Bevölkerungswachstum (das sowieso bei 10 Milliarden stehen bleiben wird, wenn die gegenwärtig messbaren Trends anhalten) und nicht die Landwirtschaft per se, auch nicht der Fleischkonsum, nein, nur und ausschließlich die fossilen Brennstoffe verursachen das Problem. Um es zu lösen, müssen wir aufhören, Kohle, Erdöl und Erdgas zu verbrennen. Ersatztechnologien gibt es genug: Solar-, Wind und Wasserkraft sind in Verbindung mit Speichertechnologien wie Batterien und Power-to-Gas-Technik in der Lage, fossile Brennstoffe vollständig zu ersetzen, ohne dass jemand auf Lebensqualität verzichten muss und ohne dass wir weiten Teilen der Menschheit die Segnungen der Zivilisation vorenthalten müssten. Dies ist schon oft vorgerechnet und als technisch einwandfrei machbar bewiesen worden. Wir, das heißt die Menschheit, müssen es nur alle gemeinsam tun, das heißt, unsere Anführer müssen dies entscheiden.
Natürlich wird es da im Detail schwierig. Dummköpfe weigern sich, das Problem zur Kenntnis zu nehmen, mentale Sofakartoffeln würden gern einfach noch ein bisschen so weiter machen wie bisher und die Lösung der nächsten Generation überlassen (wofür dann aber, siehe oben, keine Zeit mehr sein wird), und Psychopathen wollen vielleicht gar, dass weite Teile der Menschheit sterben, solange sie nur selbst unter den Überlebenden sind (werden sie aber nicht). Solche Gestalten gibt es überall, auch unter den Anführern der Welt. Da bleibt also etwas wichtiges zu tun: Diese Leute müssen von den entscheidenden Stellen entfernt werden. Dazu aber kann tatsächlich jeder etwas beitragen: In Demokratien sogar einfacher als anderswo.
Oft wird hier mit den Wirtschaftseliten argumentiert, oder es wird davon gesprochen, man müsse das Wirtschaftssystem ändern, damit die richtigen Entscheidungen fallen. Aber die einflussreichste „Wirtschaftselite“ ist die Finanzwirtschaft, und der ist es im Grund egal, wie die Realwirtschaft ihr ihre Gewinne erarbeitet. Der Vergleich der Arbeitsplatzzahlen in Braunkohle – und Windenergiebranche zeigt zudem, dass es bei der Umstellung auf die neue Technologie nicht um „unvermeidliche wirtschaftliche Kräfteverhältnisse“ geht, sondern um politische Entscheidungen. Dazu vergleichsweise kleine Entscheidungen: Es muss nicht, wie manche kolportieren „der Kapitalismus ersetzt“ werden oder ein Hundertmilliardenforschungsprojekt finanziert werden. Nein, im Grunde ist es nur nötig, fossile Brennstoffe so zu besteuern, dass die Kosten für das Entfernen des bei der Verbrennung freigesetzten CO2 aus der Atmosphäre gedeckt werden. Dieser Preis läge bei etwa 100 Euro pro Tonne CO2.
Wer die drohenden Folgen des Klimawandels versteht, der wird solche Lösungen – geistige Gesundheit vorausgesetzt – mit seinen Möglichkeiten erzwingen. Was also nötig ist, ist in erster Linie, genau dieses Damoklesschwert von Hunger und Krieg ausreichend plastisch zu erklären. Niemand macht sich Sorgen wegen einer ein- oder auch zweistelligen Gradzahl, wenn er nicht versteht, was diese bedeutet. Und da liegt derzeit das Versagen der meisten unserer Medien.