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Pferdeäpfel, Wassertropfen und die Reichen

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Die Union will Unternehmenssteuern senken und spricht sich gleichzeitig gegen eine Vermögenssteuer aus. Wegen der Konjunktur und so. Das ewige Mantra von den niedrigen Steuern von denen folglich alle was haben, ist auch mehr als ein Jahrzehnt nach den Reformer-Jahren nicht totzukriegen.

Irgendwie fühlt man sich an den Anfang der Nuller-Jahre zurückversetzt. Damals erfasste die Politik dieselbe krude Logik, mit der die CDU und die CSU jetzt hausieren gehen. Man erzählte den Leuten seinerzeit nämlich, dass nur Unternehmer und Konzerne, die wenig Steuern entrichten müssten, auch gesunde Unternehmer und Konzerne seien. Und wenn sie erstmal bei bester Gesundheit sind, so die Schlussfolgerung, dann geht es auch den Bürgerinnen und Bürgern, den Konsumentinnen und Konsumenten, ja den Wählerinnen und Wählern gut.

Denn wenn Unternehmen weniger an den Fiskus abführen müssten, würden sie ihr Geld nämlich investieren. Nicht etwa bunkern, sparen, zurückhalten, einsacken und in Boni umwandeln: Nein, sie würden es im Sinne des Allgemeinwohls, quasi altruistisch-ökonomisch, ethisch und moralisch zudem, in sinnvolle Investitionen abführen. Am Ende, wir ahnen es schon, profitieren nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern auch Leute wie du, du, du und ich. Win-Win halt. Allen ist geholfen, die Welt als großes Spiel ohne Verlierer. So eine schöne kuschelige Vision …

Trickle-Down: Irgendwas mit Pferdescheiße

Nur ist sie halt leider falsch. Denn eigentlich hat es bislang nie geklappt, dass die unteren Geäste der Gesellschaft was vom wohltuenden Regen abbekommen haben. Genau dieses Bild bemüht diese Trickle-Down-Theorie nämlich bildlich: Es tröpfelt runter, tröpfelt durch. Die Steuerzurückhaltung bei den Reichen, so skizziert sie die ganze Chose, käme einem Regenschauer gleich. Die Äste und Blätter oben bekämen freilich den meisten Regen ab. Aber halt nicht nur, denn das Wasser perlt hinab. Ast für Ast, Blatt für Blatt würden nass. Selbst jene, die so tief unten gewachsen sind, dass sie nicht direkt mit dem Regenwasser in Kontakt kommen können.

Dieses schöne Bild der klassischen Ökonomie ist die Birne, die man der Realität – dem Apfel – quasi metaphorisch entgegenstellt. Ein unangemesser Vergleich letztlich. Denn dass der Regen alles durchdringt, das hat ja wenig mit dem Gerechtigkeitssinn von Baumkronen zu tun – es ist das Resultat der Erdanziehung. Damit keine ökonomisch-ethische, sondern eine physikalische Kategorie.

In Deutschland nennt man diese Theorie nach John Kenneth Galbraith deswegen auch lieber »Pferdeäpfel-Theorie« – damit kommt elegant zur Sprache, dass das Theorem ziemlich scheiße ist. Auch wenn Galbraith eher darauf verweisen wollte, dass gut genährte Pferde auch gut ihren Darm entleerten: Was die Spatzen, die in den Exkrementen rumschnabeln, natürlich freut.

Erhöhter Haferrückstand im Pferdeapfel ist aber auch nicht der moralischen Konstitution des Gauls geschuldet. Man darf davon ausgehen, dass das Tier auch nicht ökonomische Wissenschaften oder Staatskunde studiert und daher eine Art Gemeinsinn entwickelt hat. Nein, wir haben es mit einer schlicht biologischen, gastroenterologischen Entität zu tun. Vor allem mit einer evolutionären par exellence, denn der Spatz ist nach Darwin nicht der Fitteste im Sinne von »der Stärkste« – er hat einfach seine Nische gefunden. Und die ist eben im Pferdeapfel zu finden. Er hat sich also gut angepasst.

Steuersenkungskatastrophismus: Das Herzstück der neoliberalen Schocktherapie

Was aber die Steuerreformer uns seit Jahrzehnten erzählen wollen, geht am Wesenskern der beiden Theorien völlig vorbei. Sie erzählen nämlich eine ethische Geschichte der Ökonomie. Die lautet simplifizierend: Wenn es den Reichen gut geht, dann geht es allen gut. Okay, so vereinfachend war das jetzt gar nicht. Im Grunde ist das genau die ganze Geschichte, die sich hinter dem Steuersenkungskatastrophismus der Neoliberalen verbirgt. Denn für sie gibt es stets nur eine dringende, jetzt sofort zu ergreifende Maßnahme, um die Geschicke der Gesellschaft zu steuern: Reiche Reiche – und immer reicher werdende Reiche. Weil die ja angeblich auch reicher werdende Arme bedeuten.

Nun ist die Geschichte der neoliberalen Schocktherapie keine, die diese These irgendwie stützen würde. In Deutschland geht die Schere zwischen Armut und Reichtum immer weiter auseinander. Das ist bekanntlich ein globaler Trend. Dass die Armen irgendwie glücklicher seien als zuvor, als die Reichen in den Industrieländern noch mehr Steuern entrichteten, lässt sich freilich schwer messen. Mit dem sogenannten Bruttonationalglück drückt man sicher viel aus: Aber Zufriedenheit oder Glück ziemlich sicher nicht. Als Beobachter der politischen Weltgemeinschaft kann man aber trotzdem recht knapp einschätzen, ob die Armen der Welt glücklicher sind seither die Reichen sich abschotten: Nee, wahrscheinlich nicht.

Die Neoliberalen und Neocons bauen jedoch weiter auf die Steuersenkung für Reiche. Sie ist immerhin das Herzstück des programmatischen Staatsrückgangs und des Staatsabbaus. Ohne diesen Auftrag wäre das gesamte Bemühen sinnlos. Denn indem sich die Kaste der Reichen immer mehr vom staatlichen Auftrag auf Umverteilung herausziehen kann, desto despotischer kann sie ihre Geschäfte bestellen. Die Reichen emanzipieren sich so sukzessive von der staatlichen Ordnung, entziehen sich der gesellschaftlichen Kontrolle, indem sie immer reicher werden, während die öffentliche Hand darbt.

Wenn es denn Reichen besser geht, geht es letztlich nur einer Gruppe besser: Nämlich den Reichen. Und deren prämierten Hengsten und Stuten, die besten Hafer kacken und die so die Spatzen erfreuen. Bis dahin stimmt die Theorie nämlich …

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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