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Nicht frisch, nicht Fleisch

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Fleisch ist in Deutschland zu günstig. Das stimmt schon. Das hier produzierte Fleisch höher zu besteuern, kann aber nichts als ein schlechter Scherz sein. Das Problem ist nicht, dass das Fleisch so preisgünstig ist, weil die Besteuerung hinkt. Um was es eigentlich geht, ist das sozio-ökonomische Dumping der Fleischbranche.

Das saß, Grüne und Sozialrestdemokraten wollen nun eventuell an die Fleischtöpfe. Um sie höher zu besteuern. Weil Fleisch nun mal eben ein Klimakiller sei. Daran kann man, jedenfalls was die Massentierhaltung betrifft, freilich nur zweifeln, wenn man wie mancher da draußen glaubt, der Mensch lebe, liebe, werkele isoliert von (seiner) Umwelt vor sich hin. Krone der Schöpfung nannte man dieses Prinzip in noch biblischeren Tagen. Insofern hatten die nicht-mehr-links-aber-trotzdem-grün-versifften Kolleginnen und Kollegen schon recht: Man muss was tun.

Steuern eben. Entgegensteuern. Mit Steuern. Nun habe ich oft und und immer wieder an dieser Stelle hier erörtert, dass ich mir mehr und überhaupt staatliche Regulierung wünsche. Gerne auch durch Steuermaßnahmen. Aber in dem speziellen Fall sehe ich es kritisch. Nein, nicht weil Fleisch teurer würde. Damit habe ich kein Problem, sofern man es halbwegs sozialverträglich gestaltet. Nun kenne ich aber unsere Fleischindustrie und das, was sie uns unter die Nasspanade packt oder in die Würstel stopft. Mir wäre lieber, wenn das nicht einfach bloß teurer wird, sondern qualitativ besser und im Preis realistischer: Und das geht man wahrlich anders an.

Fleischbrei, Aromen und Wachstumspräparate billig verwurstet

Die Fleischindustrie ist ein gut subventionierter Geschäftszweig. Besser noch als die Bundesliga – und die kriegt schon für das Bisschen, das sie bietet, ziemlich viel öffentliche Unterstützung. Ob nun Gebührengelder für die Vereinskasse, Finanzierung stadionnaher Infrastruktur durch Städte und Gemeinden oder die Abschaltung des Verursacherbetriebs in puncto Spieltagsicherheit: Den Vereinen wird dabei geholfen, reale Kosten zu vereiteln. Ähnlich läuft es für die Fleischhersteller. Sie müssen die realen Kosten, die ihr Metier verursacht, nicht im endgültigen Preis abbilden und an den Verbraucher weitergeben.

Umweltschäden zum Beispiel, aber auch geringe Löhne werden einfach sozialisiert. Der Steuerzahler, die Allgemeinheit letztendlich, kommt für eine Produktionsweise auf, die ausbeuterisch, rücksichtslos, umweltbelastend, struktur- und gesundheitsschädigend ihre Geschäfte bestellt. Weil sich der Gesetzgeber zurückzieht, Verpflichtungen abbaut und es erlaubt, dass Folgekosten auf alle umgewälzt werden können, haben wir den vielleicht billigsten Fleischmarkt Europas.

Gleichzeitig nimmt der Gesetzgeber auch Abstand davon, fadenscheinige Produktionsweisen künftig vom Verbraucher abzuwenden. Deshalb arbeitet die Industrie mit billigsten Seperatorenfleisch, gepressten Fleischresten, hohen Stabilisatoren- und Wasseranteilen in der Wurst (bis zu 35 Prozent sind möglich) und aromatisierenden Zusatzstoffen, die selbst den Räuchervorgang überflüssig machen, indem sie das Raucharoma schlicht simulieren. Dass die Produkte also so günstig sind, ist keine Frage zu niedriger Fleischessteuern. Es ist der Rücksichtslosigkeit der Branche anzulasten – oder richtiger gesagt: Dem Nachtwächterstaat und dem Gesetzeslosigkeitsgeber.

Höherer Mindestlohn, mehr Kontrollen und Tierschutz statt Steuern

Dass Fleisch teurer werden muss: Geschenkt! Das ist mittlerweile jedem klar, der geistig nicht vollends vom Fleisch gefallen ist. Dass eine miserable Produktionsweise aber künstlich verteuert wird, das ist so nicht der richtige Weg. Fleisch sollte viel mehr teurer werden, weil die Herstellung kostenintensiver reguliert wird. Nicht für eine Steuererhöhung, für eine Strafsteuer zu sein, heißt nicht, dass man den Staat aus der Sache heraushalten will: Ganz im Gegenteil, es obliegt der Sache des Staates, dafür Sorge zu tragen, dass die Herstellung von Fleischprodukten nicht mehr auf die oben genannte Weise vonstatten gehen darf.

Durch mehr Kontrollen – und nicht etwa weniger, wie die Verbrauchteministerin Klöckner neulich als Plan in den Raum stellte -, die die Qualität, den Tierschutz und die Produktionsweise regelmäßig prüfen und die gestärkt durch ein national übergreifendes Kontrollwesen abgehalten werden können, kann man etwaige Preissteigerungen durchaus befürworten. Bessere Arbeitsbedingungen, mehr Sicherheitsvorkehrungen, arbeitnehmerfreundlichere Arbeitsplätze, einen höheren Mindestlohn und ein Betriebsverfassungsgesetz, dass Mitsprache in den Betrieben stärker vorantreibt, lassen die Produkte der Industrie auch auf eine gesunde Art und Weise steigen. Von strikteren Etikettierungsvorschriften, Lebensmittelampeln, Wachstumshormonen und Verboten von Seperatorenfleisch und hohen Stabilsatorenzusätzen mal ganz zu schweigen.

Wenn Fleisch aus diesen Gründen preislich anzieht, dann wäre das angemessen. Aber eine fahrlässige, teils halbseidene und in die Legalität überführte Mauschelpraxis, einfach nur per Steueraufschlag zu verteuern, das ist keine kreative Steuerung der Geschicke in der Lebensmittelbranche: Das ist eine sinnlose Maßnahme – und irgendwie auch die Absegnung mieser Praktiken. Dieses Vorhaben hat nicht den Anspruch die Bedingungen zu verbessern, sondern sie zu erhalten. Gegen einen kleinen Obolus quasi. Da ist nichts frisch und so gut wie nichts Fleisch – und trotzdem soll daran nicht gedreht werden?

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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