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Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein …

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… und es ist ein Zeitungsartikel, der diese Scham gerade auslöst. Aber auch Wut, und zwar eine ganze Menge davon. Der Grund dafür hat einen Namen: Silke Bigalke.

Die Schreiberin von der „Süddeutschen Zeitung“ titelte kürzlich einen Kommentar mit der Headline:

Moskau missbraucht das Gedenken an Leningrad

Und im Teaser ist zu lesen:

Die Leningrad-Blockade war ein monströses Verbrechen der Wehrmacht. 75 Jahre nach der Befreiung verharmlost Russland den Hungertod von über einer Million Menschen.

Weiter geht es mit Verharmlosungen Bigalkes. Und mit dem Gefühl meinerseits, mich im langen Strahl erbrechen zu wollen. Leningrad sei „ein wunder Punkt“ Russlands. Und dann steht da für die Schreiberin die Frage im Raum, „ob die Katastrophe hätte verhindert werden können.“ Sicher ist sie sich aber in einem:

Die Opfer der Blockade, so möchte man das sehen, haben ihr Leben für den Sieg des russischen Volkes gegeben. Als sei ihr Tod so gerechtfertigt, als seien sie freiwillig verhungert. Dies verharmlost das Geschehene, und das ist gefährlich.

Ich reibe mir verwundert die Augen und frage mich, ob die Frau das wirklich ernst meint. Wie kann Russland – unabhängig von der Art des Gedenkens – das Geschehene verharmlosen? Wie kann eine Journalistin, die Deutsche ist, die also Bestandteil der Geschichte der grauenvollen Verbrechen durch die Nazis ist, einen solchen Vorwurf erheben? Nicht nur ich bin verwirrt und frage mich, was Frau Bigalke eingeworfen haben mag, auch Liane Kilinc stellt sich diese Frage offenbar.

Ist es das „Ich bin nicht verantwortlich für die Taten der Nazis“-Gefühl? Selbst, wenn es das sein sollte, für eines ist Bigalke definitiv verantwortlich: für die infame Umkehrung der Verteilung von Verantwortung. Selbst wenn man der Journalistin einräumen möchte, dass sie sich über die Art des Gedenkens echauffieren darf, wenn sie das so sieht. Von einer „Verharmlosung“ durch Russland zu sprechen, ist so niveaulos und hasserfüllt, dass ich die Dame am liebsten direkt von ihrem Schreibtisch wegziehen möchte, um sie für 900 Tage auf die „stille Treppe“ zu setzen.

Wobei ich fürchte, sie würde die Zeit nicht sinnvoll nutzen.  [InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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