Der alte weiße Mann: Er ist grimmig – und er ist schuld an dieser schlechten Welt. Weil er an ihr nicht weiterbasteln darf ohne gestört zu werden, gilt er als Rückschritt und Fortschrittsverhinderer. Er will Krieg, Ausbeutung und sexuelle Macht. Dabei hat er auch was geleistet, was der ideologische Diskurs gerne ausklammert.
Eine Theorie ist zu einer der ganz großen Mythen in unserer an Mythen so armen Zeit geworden: Der weiße olle Mann – er hat es mal so richtig verbockt! Und weil er nicht mehr der ungestörte Meister des Universums sein kann, ist er angeblich mordssauer – denn er hat nur eines im Sinn: Er will seine Deutungshoheit zurück. Und das sei schlimm, denn er ist bekanntlich verantwortlich für eine mehr als zehntausend Jahre alte Menschheitsgeschichte voller Ausbeutung, Unterdrückung, Mord und Krieg. Dass die Welt dieser schreckliche Ort ist, in dem wir uns heute alle bewegen, hat nämlich mit dem Mann zu tun. Mit dem Männlichen. Und ganz speziell mit dem weißen Mann und Männlichen.
Dass der Mann an allem schuld sein soll, »lenkt ab von dem Umstand, dass auch viele der wichtigsten philosophischen, juristischen und politischen Waffen der Emanzipation wie zum Beispiel die Ideen der Aufklärung, die Deklaration der Menschenrechte, die Kritik der politischen Ökonomie oder auch die Gender-Theorie, von weißen Männern entwickelt wurden«, erklärte der Philosoph Robert Pfaller erst neulich in einem Interview dem Dummy-Magazin (Ausgabe: Herbst 2018). So eindeutig sei die ganze Gemengenlage nämlich gar nicht: Männer hätte auch Gutes bewerkstelligt. Die meisten Eltern des Grundgesetzes waren Väter – und wir beziehen uns doch gerne, auch weil es richtig und humanistisch nachvollziehbar ist, auf genau dieses Grundgesetz.
Pfaller lässt an diesem »postmodernen Gerede« kein gutes Haar, denn er hält das für gefährlich. Man könne nämlich nicht so tun, als wären all diese Errungenschaften »entbehrlich und verzichtbar; ja als ob eine Befreiung ohne die mühsam dafür entwickelten und erkämpften Instrumente möglich wäre«. Die »postmodernen Militanten [kippen] die Emanzipation und den Anspruch auf Gleichheit auf den Müll«, mahnt er. Daher findet Pfaller, dass leider nicht nur die Rechten dumm seien – die normative Linke ist es auch, weil sie sich solcher postmaterialistischen Theorien verschrieben hat, ohne sie kritisch zu analysieren. Sie sei also quasi ideologisch verstrickt.
Habeas Corpus Act, Menschenrechtscharta, Aufklärung, Grundgesetz: Mensch, für den weißen alten Mann eigentlich nicht schlecht! Nicht alles was er anfasste war gut, gar keine Frage. Aber so zu tun, als hätten die Altvorderen nur Scherben hinterlassen, aus denen man nichts mehr basteln könne: Das ist geschichtsvergessen und destruktiv.
Und jetzt kommst du, junge weiße Frau! Was hast du zu bieten? Mag sein, dass die Geschichte dir noch nicht viel Zeit einräumte, um diese Welt zu prägen, zu verbessern. Aber eines solltest du wissen: Zeloltinnenhafter Moralismus und Diskreditierung aller, die nicht konform gehen mit deinen Anschauungen, sind keine großen Werte, von denen wir künftig berichten werden. Das ist kein Beitrag zur Verbesserung der Welt. Im Gegensatz zu Immanuel Kant hat Judith Butler noch nichts zur Versöhnung der Welt bewirkt – ihre Geistesfürchte scheinen mehr zu spalten, als universalistisch zu versöhnen. Das ist das Problem des Genderns, wie wir es heute kennen: Es ist kein Beitrag des Ausgleichs – es ist Konfrontation.
Wenn Femen und Gender-Aktivisten – übrigens gleichgültig ob weiblich oder männlich – bald eine Verfassung entwerfen, in der das Zusammenleben friedlich und gerecht geregelt wird, lasse ich mich vielleicht doch noch überzeugen. Falls das nicht geschieht, entschuldigt, dass ich das nicht als die Aufgabe eines linken Gestaltungsauftrages anerkennen möchte. Denn mehr als strikte Moral, ideologisches Denunziantentum und das Binnen-I soll schon am Ende rauskommen.