Gottlob haben deutsche Städte erkannt, dass man gegen die durch den Klimawandel bedingte Hitze etwas machen muss. So auch Frankfurt. Ein vom dortigen Umweltamt aufgelegtes Programm zeigt aber eigentlich nur auf, wie hilflos man vor der Entwicklung steht. Hilflos, ohne Allgemeinkonzept und überdies ein klein wenig elitaristisch.
Frankfurt frischt auf! So heißt das neue Förderprogramm der Stadt Frankfurt zur Klimaanpassung. Als jemand, der die Hitze nicht mag, interessierte mich natürlich, was es damit auf sich hat. Also bin ich zur Ortsbeiratssitzung, bei der zwei Mitarbeiter des städtischen Umweltamtes geladen waren, um über das Konzept zu sprechen. Vielleicht gibt es ja für uns Städter, die wir besonders schlimm unter der so genannten Stauwärme leiden, doch noch ein bisschen Hoffnung, dachte ich mir. Aber so richtig hoffnungsfroh bin ich aus dem Vortrag nicht herausgekommen. Eher so ein bisschen ernüchtert.
Geplant ist Fassadenbegrünung. Innerhalb von vier Jahren möchte die Stadt 100 Häuser mit begrünten Dächern oder eingedeckten Fassaden ausstatten. Das sei das langristige Ziel. Hierzu stellt die Stadt einen Topf von zwei Millionen Euro jährlich zur Verfügung – für insgesamt vier Jahre. Eigentümer können beim Umweltamt der Stadt ihr geplantes Konzept zur Verschattung des Wohnobjektes einreichen. Wird die Planung als vernünftig und nachhaltig anerkannt, erhält man 50 Prozent der bezahlten Gesamtkosten zurück. Bis zu 50.000 Euro sind maximal absetzbar. Die Verschattungsmaßnahme soll mindestes zehn Jahre erhalten bleiben. Gelingt das nicht, muss der Eigentümer der Immobilie den erstatteten Zuschuss zurückzahlen. Leben Mieter in dem Objekt, darf die Maßnahme zudem nicht zur Mieterhöhung führen.
Insbesondere die Eigentumsverhältnisse führten zu Reaktionen des Publikums. In unserem Stadtteil leben vornehmlich Mieter, die es auch gerne verschattet hätten. Möglichkeiten dieses Angebot der Stadt in Anspruch zu nehmen, haben sie nur, indem sie ihren Hausherrn dazu aktivieren, sich das Programm mal näher anzuschauen. Bei vielen Wohnhäusern, die direkt an einem engen Gehweg stehen, dürfte die Fassadenbegrünung gar nicht genehmigt werden. Und ob ein Topf von 2 Millionen Euro im Jahr reicht, um die städtische Stauwärme ein bisschen zu lindern, bleibt mehr als fraglich. In Frankfurt hat schon mal einer von Peanuts gesprochen – und da ging es um ganz andere Summen.
Die Begrünung der Fassaden ist durchaus eine sinnvolle Maßnahme, wie auch ein Gutachten des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalens im Juni 2016 feststellte. Die Verdunstungskühle führe zur Wärmeabfuhr, eine gezielte Fassadenbegrünung wäre demnach sinnvoller, als eine Straße ohne verschattete Fassadenwände, die aber dafür mit Bäumen gesäumt ist. Dort zirkuliere die Luft besser. Ob alleine damit natürlich die große Hitze, wie wir sie so viele Wochen in diesem Sommer aushalten mussten, ins Erträgliche abzulindern ist, bleibt fraglich. Ohne Klimatisierungskonzepte werden Innenräume nur kurz entlastet, erstmal aufgeheizte Räume bleiben Hitzefallen, in denen man bei langen Aufenthalten Gefahr läuft, an Herz und Kreislauf zu erkranken.
Insbesondere ist es ein Stück Realsatire, dass die Stadt Frankfurt sich als Klimaanpasser betrachten lassen will, während sie den Günthersburgpark in Frankfurts Osten an Investoren verkaufen möchte, um dort einen riesigen Komplex für Eigentumswohnungen zu verwirklichen. Der Günthersburgpark ist eine der letzten Frischluftschneisen der Mainmetropole. Von dort strömt kühlere Luft aus dem nordöstlichen Umland in die Stadt. Hohe Häuserzeilen würden diese Zufuhr unterbinden. Ohne einen städtischen Generalplan, ohne ein Allgemeinkonzept, das alle möglichen Wärmeherde berücksichtigt, ist die Begrünung von einer abzählbaren Anzahl von Hausfassaden bloß ein laues Lüftchen. Jedes neue Hochhaus, das die Frankfurter Skyline bereichern soll, stellt im Grunde einen Angriff auf die Auffrischung der Stadt dar. Etliche Hochhäuser sind aber weiterhin geplant.
Wie oben erwähnt, besonders der Umstand, dass man als Mieter kaum Möglichkeiten hat, an der programmierten Aufrischung der Stadt und des Stadtteils mitzuwirken, ließ die Zuhörer skeptisch zurück. Während Hausgemeinschaften zunächst ihren Vermieter ködern und überzeugen müssen, haben Hausbesitzer natürlich den Vorteil, recht schnell mit sich im Klaren darüber zu sein. »Frankfurt frischt auf!« ist im Grunde so angelegt, dass Eigentümer einen Vorteil vom Startschuss weg haben. Der Topf ist ohnehin nicht üppig gefüllt, bis die Hausgemeinschaften ihren Hausherrn im Schlepptau haben, werden die Mittel knapp. Die Auffrischung durch Verlagerung in private Hand, jedenfalls dort, wo sich die Hitze besonders staut, in dicht bevölkerten und bebauten Wohnkomplexen, führt zu einer elitaristischen Hitzeabfuhr.
Verschattung kann nicht nur ein Projekt privatisierter Eigenverantwortung sein, die man dann prämiert: Es ist Aufgabe der Stadt, Ballungsräume und klimatische Brennpunkte zu entlasten. Das ist keine milde Gabe, keine Gönnerpolitik, sondern auch wirtschaftlich vernünftig. In Hitzezentren darbt das öffentliche Leben – insbesondere tagsüber. Der Tatendrang der Menschen ist wie gelähmt, Initiative wird verschoben. Nicht ausreichend klimatisierte Räume erzeugen zudem Erkrankungen. Nur mittels durchdachter Architektur und der städtischen Bereitschaft, etwaige Verschattungen nicht bloß als Wahloption ans Herz zu legen, sondern gewissermaßen auch aus gesundheitlicher Perspektive zu verordnen, insbesondere dort, wo man als Vermieter fungiert und eine Art wohnliche Fürsorgepflicht für seine Mieter trägt, ist eine zukunftsfähige Klimapolitik denkbar.
Dabei darf man, wie oben schon angerissen, nicht die anderen Baustellen vergessen. Klimapolitik kann nur mit Umsicht erfolgen. Verdunstungskühle subventionieren, während man die Luftzufuhr an den Stadträndern drosselt: Das ist nicht umsichtig, sondern legt die ganze Hilflosigkeit der Klimapolitik dar. Kapitalismus vs. Klima also, wie Naomi Klein titelte? Vereinfacht gesagt ja. Jedenfalls trifft das für den neoliberalen Kapitalismus und seine libertären Selbstgefälligkeit zu. Ein regulierter Kapitalismus entspräche da eher … ach was, das ist eine andere Story, die heute mal nicht aufgerollt wird. Bei dieser Diskussion geht es nämlich meist heiß her. Und Hitze habe ich fürwahr genug gehabt in den letzten Wochen.
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