Eine neue Stadtguerilla wäre nun wirklich mal wieder wünschenswert. Die Aktionen des VCD letzte Woche können nur ein zögerlicher Anfang dazu sein. Natürlich darf verkratzt und geschlagen werden! Ein eingeschlagener Blinker ist eine Sachbeschädigung, viele eingeschlagene Blinker ein Zeichen.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat letzte Woche zu Aktionen gegen Falschparker aufgerufen. Hierzu wurden Hütchen aufgestellt, Zettelchen verteilt und Autofahrer angesprochen. Nette Aktion, aber am Ende zuckt der Falschparker nur mit den Achseln, vielleicht lächelt er freundlich, wenn man ihn ertappt. Unter Umständen wird er aber auch wütend, nestelt im Handschuhfach herum. Ändern wird das nichts. Die Großstädte, insbesondere in den Stadtteilen, in denen es keine Tiefgaragen gibt, in den Übergangsgebieten zu den Stadtzentren, sind die erweiterte Falschparkzone. Und es ändert sich nur etwas, wenn dies Falschparker auch spüren: Und zwar im Geldbeutel. An der Moral packt man doch niemanden, das romantische Zeitalter ist doch längst über die Wupper gegangen.
Lösung: Ordnungsamt oder Polizei anrufen? »Eine Überwachung in dem Umfang, die zu einer dauerhaften Entspannung der Problematik führen würde, ist aufgrund der eingeschränkten personellen Ressourcen, mit denen die vielfältigen Aufgabengebiete abgedeckt werden müssen, nicht möglich.« Dieser Satz stammt aus einem Antwortschreiben des Straßenverkehrsamtes in Frankfurt. Ich hatte das Amt angeschrieben, weil in unserer Nachbarschaft ganze Gehsteigsegmente als Massenparkplatz zweckentfremdet werden. Anrufe meinerseits gab es vorher mehrmals. Man hebt ab, die meist männliche Stimme nimmt freundlich die Meldung entgegen, dann heißt es, dass es dauern kann, man soll sich bitte gedulden. Einmal hieß es, es würde locker zwei Stunden dauern, bis jemand Zeit hat zu kommen. Hin und wieder ist die Leitung aber auch dauerbesetzt, dann hat man wohl keine Lust mehr, Bürger zu vertrösten.
Nie habe ich einen Ordnungsbeauftragten nach einem meiner Anrufe gesehen. Womöglich habe ich gelegentlich nicht mehr aufgepasst, ob sich denn jemand einfand. Wenn ich aber nachhaltiger beobachtet habe, ob meine Meldung als wachsamer Bürger Früchte trägt, wartete ich vergeblich. Vor einigen Jahren haben Autofahrer unter dem Joch geklagt, unter dem sie angeblich leiden. Damals hatte man einfach die Bußgelder erhöht, falsch zu parken sollte innerstädtisch teurer werden. Diese larmoyante Aufregung war ganz umsonst, denn es fehlt schlicht und ergreifend an Personal, welches Bußgelder exekutieren könnte. Viel Lärm um nichts also. Der Sparzwang macht den Stellplatz billig. Bezahlen müssen es die anderen Verkehrsteilnehmer.
Na klar, ich kenne das schon, jetzt wird mancher fragen: Lapuente, was soll der Mist? Bist du jetzt der Oppa, der aus dem Fenster guckt und Nummern notiert? Haste Langeweile? Bürgerliche Spießigkeit als Zeitvertreib? Jaja, spottet nur. Denn es ist wohlfeil, wenn man so tut, als stehe man über dieser Kleinlichkeit. Mir macht die Falschparkerei nichts. Ich ärgere mich höchstens, dass sich mancher Droschkenkutscher als Nabel der Welt fühlt. Wenn ein dicker Benz im Weg steht, der suggeriert »Isch bin hier, mach einen Bogen um mich, du kommst hier net vorbei!«, dann nehme ich keinen physischen Schaden, nur mein Gerechtigkeitssinn kriegt einen Knacks. Aber all die Alten und Siechen, die hier mit Krückstock zum Supermarkt schleichen, die Rollstuhlfahrer, die an die Grenzen ihrer autonomen Mobilität kommen, weil da welche ihren mobilen Untersatz zu Immobilien umparken, Mütter mit Kinderwagen oder Kinder ohne Mütter mit Kinderwagen: Sie alle drücken sich nicht durch die engen Gässchen, die man ihnen gelassen hat. Sie wechseln die Straßenseite, just an Ort und Stelle, wo es natürlich keine Ampel gibt, wo eine Straßenbahn andonnert und Autofahrer, die noch nicht zu Falschparkern wurden, Richtung Stadtmitte brausen – wahrscheinlich in der Hoffnung auf einen Falschparkplatz. Das alte Mütterchen kriecht den Bordstein runter, wackelt entgegen der Fahrtrichtung ihrem Ziel zu. Diese Leute haben physische Schwierigkeiten, die enge Raumeinteilung zwischen verschachtelt parkenden Autos als Parcours zu nutzen.
Schon klar, es ist kein großes Verbrechen, wenn man sein Auto auf dem Gehweg parkt. Es wird auch kein Verbrechen aus der Nummer, wenn mehrere Autofahrer zugleich nebeneinander, hintereinander, kreuz und quer den Gehweg blockieren. Aber es ist ein Egoismus, der die schwächeren Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringt. Einfach mal so, weil es jetzt bequem ist, mal für zwei Stunden vor der Shisha-Bar zu halten. Und wird es teuer für so einen Egomanen? Nö! Das Straßenverkehrsamt bittet um Verständnis: Es hat nicht genügend Leute am Start, um es teuer werden zu lassen für diese Herrschaften.
In Zeiten der Schwarzen Null braucht es zivilgesellschaftlichen Ersatz. Er muss für die Verteuerung der Falschparkerei sorgen. Lieber nicht zu öffentlich, sonst wird es am Ende teuer für die, die das Teure im Sinn haben. Eine Stadtguerilla muss her. Und natürlich darf verkratzt werden. Ich könnte mir eine klammheimliche Freude nicht verkneifen, wenn da der Seitenspiegel baumelt oder der Blinker in der Windschutzscheibe steckt. Das kann man nicht machen? Asylheime anzünden ist verhandelbar, aber das liebste Kind des Deutschen, das Automobil, darf keinen Schaden erleiden? Das könnte den imperialistischen Inbesitznehmern öffentlichen Gehwegeigentums wohl so passen! Ein eingeschlagener Blinker ist eine Sachbeschädigung, viele eingeschlagene Blinker ein Zeichen antiimperialistischen Kampfes. Dieses Schweinesystem, in dem Ordnungsgelder festgesetzt werden ohne Ordnungshüter zu haben, die welche verteilen, muss der Krieg erklärt werden. Es gibt kein richtiges Parken im falschen!
Klar, das wäre ja Anarchie, wenn da flashmobartig Leute aufliefen, die nicht, wie beim VCD, mal eben Zettelchen verteilen, sondern Denkzettel in die Motorhaube hämmern – wortwörtlich, versteht sich. Genau, liebe Leute, Anarchie. So ist das in No-Go-Areas, wo man zwar hingehen kann, wo man aber als Fußgänger nicht mehr weiterkommt. So endet es nun mal, wenn der Staat sich aus der Verantwortung stiehlt. Wenn er ganze Stadtteile zu No-Go-Areas verkommen lässt, weil dort keine Mitarbeiter mehr hineingehen. Könnten die jungen Leute, die demnächst mal wieder mit Kapuzen in einem Kiez randalieren nicht mal ausnahmsweise nur die Autos zerlegen, die falsch parken? Dann hätte der Schwarze Block sogar mal eine nützliche Aufgabe in Zeiten der Schwarzen Null.
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