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Zu viele Schutzzölle? Zu wenige sind es!

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Und schon wieder hat Donald Trump etwas getan, was wir uns alle nicht hätten vorstellen können: Schutzzölle festgesetzt. Dabei macht das die EU nicht anders. Überhaupt haben wir gar nicht zu viele Schutzzölle in der Welt – wir haben, auch im Hinblick auf die Fluchtursachenkrise, reichlich wenig davon.

In einem Bericht eines öffentlich-rechtlichen Auslandsstudios ging es neulich natürlich wieder um Trump und seine Schutzzölle auf Stahleinfuhren. Eine US-Stahlarbeiterin lief ins Bild, sie fragte in die Kamera, warum es nicht gestattet sein soll, dass »meine Regierung unsere Stahlarbeiter schützt«. Unsere europäischen Regierungen würden ja auch unsere europäischen Stahlarbeiter schützen. Ein bisschen stimmt es ja, die EU hat schließlich auch Stahl und Aluminium aus China, jedenfalls phasenweise, mit Schutzzöllen belegt. Was bei der Amerikanerin so pathetisch klang, nach Arbeitsschutzmaßnahme und Fürsorge, ist freilich in europäischer Neo-Sachlichkeit ein bisschen anders zu formulieren: Man schützt die Industrie, will wettbewerbsfähig bleiben – wenn schon nicht für die Arbeiterinnen und Arbeiter, so doch mindestens für die Anleger und Profithaie.

Protektionismus: Ein Handelshemmnis – aber auch staatliche Handlungsfähigkeit

Die Geschichte des Liberalismus ist eine Geschichte voller Zollabbauten. Immer gewesen. Mit dem Abwirtschaften merkantilistischer Ökonomien war der Protektionismus aus der Mode geraten. Der Liberalismus glaubte darin die Wurzel allen Übels zu finden; denn der Schutzzoll habe Europa absolutistisch schwerfällig gemacht, weshalb er nicht mehr angewandt werden sollte. Im Laufe der klassischen liberalen Epoche, der Freihandelsperiode, schreckte man dann auch nicht davor zurück, Märkte mit Gewalt zu öffnen: Jenes Kriegsschiff des US-Kommodore Matthew Perry, das 1854 in den Gewässern Japans erschien und das isolierte Kaiserreich in paranoiden Schrecken versetzte, war nichts anderes als die Durchsetzung des Freihandels mit kriegerischen Drohgebärden.

Erst mit den Verwerfungen der Industrialisierung, die einen deregulierten, entfesselten Kapitalismus bewirkten, kam es wieder in Mode, gewisse Schutz- und Regulierungsinstrumente in Erwägung zu ziehen. Insbesondere die bittere Erfahrung mit dem Ersten Weltkrieg führten zu einer neuen Sichtweise auf ökonomische Prozesse. Der Schutzzoll war plötzlich wieder salonfähig, der starke Staat, der im Namen der Volksfürsorge gewisse Folgeschäden eines nicht reglementierten Marktes bändigen sollte, liebäugelte auch mit dieser Methode, um den Wohlstand zu gewährleisten. Wenn heute viele Journalisten aus den Wirtschaftsressorts den Handelskrieg der Dreißigerjahre als Wiedergänger beschreiben, dann tun sie so, als sei der Protektionismus ein Kind jener Zeit. Sie gehen galant darüber hinweg, dass er in jenen Jahren bloß wieder in Erwägung gezogen wurde, weil seine Abwesenheit in der klassischen Zeit des bürgerlichen Liberalismus als Gefährdung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes begriffen wurde.

Die Überflutung der Dritten Welt mit Billigprodukten: Schutzzölle – aber schnell!

Im Rahmen der Diskussionen um den Lissaboner Vertrag wurden viele Themen angeschnitten. Auch der Freihandel war natürlich Thema. In einem der ersten Entwürfe sollte jedes EU-Mitgliedsland, das mit einem Nichtmitglied in Wirtschaftsbeziehung steht, welches sich nicht eindeutig zum Freihandel bekennt, mit Strafen belegt werden können. Ein freier Zugang zum Markt: Das müsse das europäische Bündnis mindestens gewährleisten. Im Zuge der Handelsabkommen der Europäischen Union mit afrikanischen Ländern ist zwar ein Mindestmaß an Schutzzollpolitik gestattet, doch gern gesehen sind solche Maßnahmen freilich nicht. Der wirtschaftliche Druck aus Europa ist zu groß, als dass man eine selbstbewusste Politik des Schutzzolles umsetzen würde. Und so werden auch weiterhin westafrikanische Märkte mit günstigem Subventionsgemüse aus Europa überflutet, während das heimische Gemüse verdirbt. Fluchtursachen sind mannigfaltig. Aber die EU-Subvention bei gleichzeitiger Ablehnung protektionistischer Schutzmechanismen: Das ist eine Fluchtursache. Wer seine Lebensgrundlage als Bauer verliert, dem bleibt nur, sein Glück andernorts zu suchen.

Wir leiden global betrachtet doch nicht an zu vielen Schutzzöllen, wie uns das die Befürworter von CETA und TTIP jetzt über die Jahre eingebläut haben. Auch sind solche Schutzversprechen von Regierungen gegen Dumpingprodukte kein Krieg: Ohne jetzt Trump zu einer neuen Lichtgestalt stilisieren zu wollen, so ist eine solche Maßnahme das glatte Gegenteil von Krieg. Sie will nämlich den Krieg im Inneren lindern. Überhaupt muss man feststellen, dass der Schutzzoll einen viel schlechteren Ruf genießt als er müsste. Er ist auch kein goldener Weg, sondern schlicht und ergreifend eines von vielen Instrumenten bei der Regulierung. Setzt man ihn sinnvoll ein, verhilft er zu Stabilisierung. Und außerdem kann er zu einem bewussteren Umgang mit Ressourcen lotsen. Gemüse von A nach B zu fliegen oder zu schiffen: Ökologisch ist das ganz und gar nicht. Ein Schutzzoll, der Waren preislich angleicht, macht solche schädlichen Prozesse schwieriger. Dass Trump diesen Aspekt im Sinn hatte: Forget it!, das ist nicht sein Intention. Aber das Ende aller Wirtschaftspolitik hat er nun freilich auch nicht ausgerufen.

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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