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Ich hab‘ ja nichts gegen ein striktes Verbot von Waffenexporten, aber …

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Der Koalitionsvertrag sieht ein striktes Verbot von Waffenexporten vor, zumindest in Länder, die am Krieg im Jemen beteiligt sind. Aber es lassen sich immer Lücken finden, und in diesem Fall greift einmal mehr ein Wort, das seinen Zweck hervorragend erfüllt: Vertrauensschutz.
Klingt gut, nach Vertrauen und Schutz. Ist aber das genaue Gegenteil.

Saudi-Arabien ist am Krieg im Jemen beteiligt. Damit spielt das Land für die neue, angehende Bundesregierung eine wichtige Rolle (so denn noch in diesem Jahr eine mehr als kommissarische Regierung ihre Arbeit aufnehmen wird). Denn im Koalitionsvertrag steht, dass es keine Waffenexporte an Länder geben soll, die am Krieg im Jemen beteiligt sind. Eigentlich eine klare Sache, wären da nicht Arbeitsplätze, die womöglich verloren gehen könnten. Ruft jemand „Arbeitsplätze! Arbeitsplätze!“, ist es meist schnell vorbei mit den Versprechungen, die wo auch immer geschrieben stehen. Papier ist geduldig, Werftarbeiter sind es nicht. Und so können sich die Mitarbeiter der Peene-Werft in Wolgast wohl erst einmal beruhigt zurücklehnen. Denn sie bauen an Küstenschutzbooten, die ein Auftragsvolumen von einer halben Milliarde haben. Da bestand also Handlungsbedarf. Aber auf die alte und neue Bundesregierung ist Verlass!

Vertrauen ist gut …

… aber gegenüber Saudi-Arabien? Ja, das geht in Ordnung, findet die kommissarische Bundesregierung. Denn wenn nachgewiesen werde, dass die Lieferungen im Empfängerland blieben, sei das kein Problem. Der Linken-Abgeordnete Peter Ritter sieht das anders. Er kritisierte, dass offenbar kein Nachweis darüber erbracht werden müsse, wofür genau diese Rüstungsgüter eingesetzt würden. Denkbar sei beispielsweise, dass sie als Blockade vor den Häfen Jemens eingesetzt werden könnten.
Die Peene-Werft selbst bedeckt sich mit Schweigen. Lediglich eine Aussage war zu vernehmen: Die Boote für Saudi-Arabien seien im Grunde harmlos und vergleichbar mit denen der Bundespolizei See, die lediglich dem Küstenschutz dienten.
Spontan entsteht das romantische Bild eines kleinen Bootes, das zum Sonnenuntergang an der Küste entlang tuckert und aufpasst, dass alles in Ordnung ist. Ein Bild allerdings, das nicht zu Saudi-Arabien und dem Krieg im Jemen passen mag. Aber Vertrauen ist gut, Vertrauensschutz noch besser.

Arbeitsplätze über alles!

Es geht um Arbeitsplätze, insgesamt rund 300. Und ich kann verstehen, wenn Mitarbeiter der Peene-Werft, die diesen Text lesen, mich dafür verabscheuen. Denn wie kann ich kritisieren, dass Rüstungsexporte an Saudi-Arabien einfach durch den Vertrauensschutz legitimiert werden, ohne tatsächlich sicherstellen zu können, dass damit gemacht wird, was gemacht werden soll (abgesehen davon, dass man diese Frage bei Rüstungsexporten grundsätzlich stellen kann und muss)?
Wie kann ich die Menschen einfach ausblenden, um deren Arbeitsplätze es hier geht? Interessiert mich das Schicksal von den 300 Familien der Peene-Werft nicht?
Doch, das tut es.

Aber ich sehe das wie der Linken-Abgeordnete Ritter, der sich wundert, dass offenbar zu keinem Zeitpunkt darüber nachgedacht wurde, wie mögliche Alternativen aussehen könnten. Das Denken scheint derlei Überlegungen gar nicht mehr zuzulassen oder einfach auszublenden. Wenn eine Werft wie die Peene-Werft nicht für den Krieg produzieren würde, wenn sie für andere Aufgaben eingesetzt werden würde, dann wäre die Frage nach Rüstungsexporten für Saudi-Arabien schlicht irrelevant. So aber ist es klar, dass die Werft und deren Mitarbeiter sich für den Deal mit Saudi-Arabien einsetzen. Ein Arbeiter, der eine Familie ernähren muss (wenn er es denn überhaupt kann), stellt sich nicht die Frage, wo die Boote, die er mitbaut, bleiben, und wahrscheinlich macht er sich keine Gedanken darüber, dass diese von ihm gebauten Boote womöglich für Dinge missbraucht werden, die weit über den „Vertrauensschutz“ hinausgehen. Er denkt an sich, an sein Auskommen, an sein kleines Eigenheim (auch hier: wenn er es überhaupt hat), an seinen Kühlschrank, seine Kinder, sein Auto. Und das ist legitim, denn wir alle leben in unserer Blase und müssen zusehen, wo wir bleiben.

Die deutsche Politik will den Krieg – die Deutschen wollen ihn nicht!

Verantwortung übernehmen? Was für eine lächerliche Floskel, die nichts anderes aussagt, als dass die deutsche Politik international an der Rüstung und den Kriegen mitmischen soll. Waffenexporte, die seit Jahren an Gewicht für die Wirtschaft gewinnen, Ramstein, von wo aus Menschen vergleichbar eines Kopfschusses durch einen maskierten Drohnen-Henker ermordet werden. Atombomben auf deutschen Boden, die Weigerung der Bundesregierung, sich am Verbot von Atomwaffen zu beteiligen. Auslandseinsätze in Ländern, die ganz andere Probleme zu lösen haben, die wir ihnen eingebrockt haben. Und nicht zuletzt das täglich neu erstellte Feindbild Russland, das nur dazu dient, die aggressive NATO-Politik weiter zu rechtfertigen. Wir sind längst kein friedliches Land mehr, wir sind schon lange vom Weg abgekommen, dass vom deutschen Boden kein Krieg mehr ausgehen darf, denn am Krieg wird gut verdient, da verlieren große Worte der Einsicht, die vor gefühlten Ewigkeiten einmal ausgesprochen worden, an Gewicht. Die deutsche Politik ist kriegsgeil, weil die Rüstungsindustrie es ist.

Wie einfach wäre es, bei dem Verhältnis zu Russland anzufangen! Wenn der Wille da wäre, eine Politik der Entspannung und des gegenseitigen Respekts aufzubauen. Wie leicht wäre es, Russland als europäischen Partner politisch und wirtschaftlich anzuerkennen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Es wäre sehr einfach, wenn der Wille vorhanden wäre. Und es wäre gleichzeitig unendlich kompliziert, weil Deutschland sich positionieren müsste, sich aufstellen und verkünden müsste, dass es an einer weiteren Eskalation nicht interessiert ist. Einfach, weil es eine klare Haltung zeigen würde, die an Frieden interessiert ist. Und kompliziert, weil die USA und die NATO ziemlich sauer wären. Aber beide müssen das nicht befürchten, denn Deutschland hat nicht vor, den friedlichen Weg zu gehen. Nicht mit diesem Personal an der politischen Spitze, weder kommissarisch noch offiziell.

Aber die überwiegende Mehrheit der Deutschen, die wollen das nicht. Sie wollen keinen Krieg, sie wollen auch keine Rüstungsexporte, sie wollen kein Feindbild Russland. Vermutlich, wahrscheinlich auch nicht die Mitarbeiter der Peene-Werft.
Aber sie müssen auf einen Vertrauensschutz vertrauen, der weder etwas mit Vertrauen noch mit Schutz zu tun hat.
Das ist dann wohl das Gegenteil von Demokratie.  [InfoBox]

Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«.

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