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Trump, bayerisch buchstabiert: S-ö-d-e-r

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Die Lage ist mehr als ernst: Exakt so lautete unlängst der O-Ton von Markus Söder zur Situation in der CSU. Der Mann hat völlig recht. Die Lage ist sogar noch viel mehr als nur mehr als ernst. Denn Söder ist die nächste Stufe christsozialer Eskalation.

Markus Söder steht bereit. Er möchte seinem Parteivorsitzenden nachfolgen. Möchte Parteichef und Ministerpräsident werden. Wer auch sonst als er? Die Christsozialen haben sich totregiert, da bleibt keiner mehr, der ministerpräsidial dünkt. Nicht, dass die letzten aus der CSU so ausgesprochen kolossale Charaktere waren. Man denke nur an äh, ähm, den Dings, den Sta…, den Stoiber. Hundert Jahre vorher hätte man einen Stotterer solcher Güte noch einen rostigen Kochtopf auf den Kopf gestülpt und ihn auf diese Weise unter lauten Gelächter zum Dorfnarren gekrönt. Insofern hat die CSU da auch ein bisschen Inklusion umgesetzt. Da kann man stolz drauf sein. Seehofer wiederum ist der letzte einäugige Koloss des Freistaates. Um sich hat er nur Blinde versammelt. Leute, die wie traurige Bajazzos wirken (Dobrindt), die apathisch mit aufgerissenen Mund rumhocken (Herrmann) oder mosern und stänkern und sich eine Aura gepflegten Provinzialismus bei synchron stolz zur Schau getragener Ahnungslosigkeit angeschafft haben (Söder).

Dieser Markus Söder hat sich niemals in seinem Leben auf dem freien Arbeitsmarkt verdingen müssen. Dennoch hatte er stets etwas gegen Menschen, die vom Staat subventioniert werden. Gegen Arbeitslose zum Beispiel. Die hätte er schon immer gerne brutaler sanktioniert. Denn Arbeit sei ja da. Man müsse nur wollen. Er selbst hat bislang keine gefunden – musste er ja auch gar nicht. Griechen hält er trotzdem für faul, man dürfe ihre krumme Tour nicht unterstützen. Daher forderte er den Rausschmiss aus dem Euro.

Einfach so! Das hätte die deutschen Unternehmen, die ja unbedingt wollen, dass Griechenland zwar weiterhin im Euro bleibt, sich aber im Gegenzug besinnungslos sparen soll, überhaupt nicht gefreut. Weg wären sie alle, die schönen Verbindlichkeiten, die Griechenland bei deutschen Unternehmen hat und die das Land erpressbar hält. Dass Söder dergleichen fordert, das ist nur konsequent. Andere Parteien mögen Sachpolitiker in ihren Reihen halten. Die CSU ist hingegen die einzige Partei in diesem Lande, die sich einen Unsachpolitiker in Lohn und Brot hält. Sein Aufgabenfeld ist vielseitig und sehr komplex: Er muss zu allen Themen Stellung beziehen, darf aber nirgends den Eindruck hinterlassen, als hätte er tiefgreifende Ahnung von dem, was ihn thematisch gerade aufscheucht. Keine Ahnung zu haben und trotzdem weit den Mund aufreißen: Das ist bayerische Polittradition. Auf diese Weise gedenkt der Trachtler mit Parteibuch dem halslosen Münchner im Himmel, seinem Urvater Franz Josef Strauß.

Söder ist aber nicht nur einfach ahnungslos. Er ist nebenbei auch hochgradig gewieft, leistet dermaßen geschickt Arbeitsverweigerung, wie er sie sonst nur Hartz-IV-Beziehern (und Griechen) unterstellt. Als Finanzminister, den er nun seit einigen Jahren in Bayern spielen darf – wer soll es sonst machen? -, hatte er nie sonderlich große Ambitionen an den Tag gelegt, etwaige Steuerhinterziehung großer Unternehmen oder Steuerflucht von Vermögenden aufzuklären. Steuerfahnder kennen bayerische Reiche nur aus »Achtung, Kontrolle!« – in der bayerischen Elitenrealität gibt es davon nur wenige. Danke, lieber Herr Söder!

Vielleicht packt er auch nicht so viel an, damit seine etwaigen Schwächen mit der Rechtschreibung verborgen bleiben. Schon vor zwei Jahren stach mir sein Facebook-Auftritt ins Auge. An allem ließ er seine Freunde teilhaben. Ja, was der Mann alles erlebte! Kirchenbesuche, »Akten bearbeiten und ein Café [trinken]«. Unterlassung macht durstig, denn es musste damals schon ein ganzes Café sein, das er sich reinschüttet. Schade, dass er nicht schrieb: »Sitze im Kaffee mit meinen Akten!« Ja, ich weiß. Wir lachen über Leute, die ihr Deutschsein nicht richtig in Wort und Schrift darlegen können. Aber so wirklich lustig ist das ja nicht, wenn man bedenkt, wie sehr der Betroffene darunter leidet. Inklusion geht uns alle an. Auch hier ist die CSU abermals moderner als ihr Ruf. Muss sie auch sein. Wenn sie all die Gehandicapten nicht einbindet, leidet sie flugs an Personalmangel. Und Personalmangel hat die CSU natürlich nur für Steuerfahnder, Polizisten, Verwaltungsangestellte und Pflegekräfte vorgesehen. Nicht aber parteiintern.

Es ist an der Zeit, die Reportage meines alten Hauptschulfreundes Roman Deininger zu empfehlen. Für die SZ hat er Söder ein halbes Jahr begleitet. Man sieht daran auch, dass Journalismus ein wirklich höllischer Job ist. Sein Begleittext wurde übrigens sogar für den Theodor-Wolff-Preis nominiert. Gewonnen hat ein anderer. Man sieht daran weiters, dass Journalismus hin und wieder auch ein ungerechter Job sein kann. Köstlich ist dann schon der Einstieg; lakonisch beschreibt Deininger, wie Söder sich im Bierzelt im Brustton des volksnahen Kampftrinkers ein Bier bestellt. Das Mineralwasser, das man ihn auf seine Bestellung zuvor hinstellte, schielt er auf Lacher abzielend abschätzig an. Er nippt kurz an der Maß, bleibt aber den Rest des Abends dann doch beim Sprudel. Ein Alkoholproblem ist scheinbar auch kein Garant mehr, um bei den Christsozis Karriere zu machen. Es reicht, wenn man es suggeriert.

Auch wenn Markus Söder wie Donald Trump Alkohol ableht, ich gebe ja ganz offen zu, dass die Überschrift zu diesem Text nicht ganz korrekt ist. Sie ist als Eyecatcher gedacht. Wenn Sie das lesen, werte Leserin, werter Leser, dann hat diese krumme Tour meinerseits funktioniert. Söder ist natürlich kein Trump, ist kein Millionär, er fasst Frauen nicht ungefragt in den Schritt. Womit wir jetzt tatsächlich acht Absätze brauchten, um mal was Nettes über Markus Söder zu sagen. Mit Trump verbindet ihn nur, eine Figur des geistig-moralischen Niedergangs zu sein. Intellektueller Abgrund: Er trägt hie wie dort fünf Buchstaben im Nachnamen. Söder ist die Eskalation der christsozialen Zerrüttung.

Früher musste man skrupellos aber auch ein bisschen gescheit sein, um der CSU vorzusitzen. Strauß war ja tatsächlich ein Gefährder der Demokratie, aber ein Dummkopf war er mitnichten. Seine Reden wirken im Vergleich zu heutigen politischen Beiträgen fast wie Vertonungen akademischer Schriften. Heute muss man nicht mehr so viel intellektuelle Skills aufweisen, für einen guten Posten in der CSU, ja selbst für den besten denkbaren Posten dieser Partei, braucht man keine Qualitäten. Söder wird sich als Nachfolger von Seehofer in Stellung bringen. Ohne Leistungen rückt er nach und wird damit der zweite linke Ministerpräsident in Deutschland werden – linker als er ist nämlich kaum jemand im politischen Betrieb der Republik.

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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