Der Niedriglohnsektor ist keine Verschwörungstheorie, wie Olaf Scholz neulich behauptete: Er ist eine Verschwörungspraxis. Und Herr Scholz war einer der Praxisanleiter dieser elitären Verschwörung gegen die Habenichtse ohne Lobby.
Die Köpfe der sozialdemokratischen Hydra, die zur schröderianischen Agendazeit aus dem Rumpf der alten Gewerkschaftssozialdemokratie herauswucherten, sind schnell aufgezählt: Da war der Kanzler himself, dazu sein Sidekick Müntefering, Super-Minister Clement, die eiserne Eichel, der biometrische Schily und noch einer, den man nicht vergessen sollte – das Generalsekret Olaf Scholz. Wie viele aus seiner Partei verteidigte auch er damals den Kurs der Agenda 2010. Hartz IV und Niedriglohn: Nun, als General musste er das zwangsläufig als absoluten Bringer verkaufen. Und das tat er freilich auch. Schon damals waren die Stimmen, die Kritik übten, für ihn irgendwie verschwörerisch am Werk. Als er neulich in der Will-Talkshow auftrat, in der er Sahra Wagenknechts Ausführungen zum Niedriglohnsektor mit der Frage konterte, ob sie nicht Verschwörungstheoretikerin sei, schlüpfte er erneut in die Rolle des biederen Generalsekretärs von dunnemals.
Dabei hat der Mann in seinen Ausführungen nur einen kleinen Fehler gemacht. Er hat einfach bloß Theorie und Praxis verwechselt. Prekarität ist keine Verschwörungstheorie – sie ist eine Verschwörungspraxis. Eine, an der Scholz selbst eifrig mitgearbeitet hat seinerzeit. Sie ist nämlich elitäre Praxis und der Erste Bürgermeister Hamburgs war so was wie einer von vielen Praxisanleitern. Er half bei der Installation dieses elitären Projektes, das sich anschickte, die Dienstleistungsgesellschaft zu einer billigen Sache für die Leistungsträger auszugestalten. Damit erschwinglich geliefert, Regale eingeräumt und Kinder betreut werden konnten, musste Arbeitskraft durch Flexibilisierungs- und Liberalisierungsmaßnahmen verbilligt werden. Leih- und Zeitarbeit nahmen zu, Teilzeitarbeit wurde zum Trend und geringfügig sollten die Leistungsträger aus dem oberen Segment der Mitte umsorgt werden.
Die Prekarisierung, auch nur ein anderes Wort für die Agenda 2010, war nicht einfach nur ein Rettungsversuch, um den Standort Deutschland zu sichern. Sie war ein Elitenkonzept, die Sicherstellung elitaristischer Dienstleistungs- und Gesindevorstellungen bei gleichzeitiger Minderung der sozialen Absicherung. Hier verschworen sich die oberen Kreise gegen diejenigen, deren einzige Lebensversicherung die sozialstaatliche Absicherung war. Und sie korrumpierten die Massen, indem sie ihnen einige arme Kreaturen vorsetzten, sie zu Sozialschmarotzern stilisierten, damit die dadurch erzeugte Wut den Sozialabbau und die Prekarisierung als Notstandsgesetz zulässt.
Theorie blieb nichts davon, Arbeitskraft wurde entwertet – ganz praktisch. Prekarität war folglich ein praktisches Projekt. Wer das benennt, der macht sich nicht der Verschwörungstheorie schuldig, sondern übt sich in der Praxis, diese elitäre Verschwörung aufzudecken und zu kritisieren. Und nun sagen Sie uns doch mal, warum Sie Verschwörungspraxisanleiter waren, Herr Scholz? Und wieso decken Sie diese Verschwörung noch immer?
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