Endlich! In der Sendung Maybritt Illner vom 7. September 2017 kam das Thema auf den Tisch, ohne das die Problematik der Flucht von Menschen nicht angemessen besprochen werden kann: die Fluchtursachen. Zuschauer und Gäste hatten die Wahl zwischen „Krieg“ und „Hunger“, beides Gründe, die ganz oben auf der Liste von Menschen stehen, die ihre Heimat verlassen müssen.
Aber Moment mal! Irgendwas lief schief. Denn die Frage nach den Ursachen für Flucht stellten sich die beiden Satire-Autoren von“ Frontal 21“. In einem prägnanten kleinen Film schlugen die Beiden vor, entweder zunächst den Krieg oder eben den Hunger zu bekämpfen, wobei man zwischen den satirischen Zeilen herauslesen konnte, dass beide Gründe, die Menschen in die Flicht treiben, ein Skandal sind.
Dann kamen die Gäste dran, die Illner geladen hatte. Der ewig grinsende Joachim Herrmann CSU), die ewig angerührte Aydan Özoguz (SPD) und der ewig schreiende Christian Lindner (FDP) waren sich zwar in Detailfragen nicht einig (wie auch, so kurz vor der Wahl?), aber in einem Punkt herrschte das ungeschriebene Gesetz: Fresse halten! Und so waren es die Satire-Autoren, die gleich zu Beginn Krieg und Hunger als Fluchtursachen ansprachen, das Ganze auch noch humoristisch verpackt, also bestens geeignet, um darüber hinwegzugehen.
Im satirischen Einspieler wurde übrigens herrlich entlarvend Joachim Herrmann ins Bild gerückt, als er von Problemen bei der Integration sprach, weil Geflüchtete aus muslimischen Ländern mit stark alkoholisierten Menschen nicht klarkämen. Ist so ne Kultursache, oder so, die dürfen ja nicht saufen. Schwierige Kiste. Und so peinlich, dass man Hermann gern mal mit einem Bierkrug auf die Finger hauen möchte.
Es zieh sich durchs Land wie ein roter Faden: Fluchtursachen werden als Begriff genannt, und zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Kommt immer gut, wenn man sich als jemand profilieren kann, der sich mit Ursachen auskennt. Aber konkret benannt werden sie nicht, denn dann stünden unangenehme Fragen im Raum, und die haben mit unseren so gefeierten Werten nichts zu tun. Sind es womögliche unsere Waffen, die die Kriege beflügeln bzw. erst in diesem Ausmaß ermöglichen? Ist es womöglich unsere aggressive Wirtschaftspolitik, die den Hunger in Krisenländern begünstigt bzw. befeuert?
Und, liebe Leser, kommt mir jetzt nicht mit
Ich bin nicht gemeint mit dem ‚Wir‘, ich mach das ja nicht.
Stimmt schon, aber wenn Deutschland Papst oder Fußballweltmeister wird, kommt Ihr mit dem ‚Wir‘ auch zurecht, also mal nicht kleinlich werden, ok?
Als Maßnahmen gegen die nicht benannten Ursachen werden übrigens regelmäßig Rettungsboote angeführt, die sicher und mit freundlicher Unterstützung zurück an die Orte des Schreckens fahren sollen, um die Menschen dort wieder abzuladen. Auch das merkten die Satiriker an. Die Rettungsboote sind die Fluchtursachen? Komisch, wussten wir gar nicht. Doch niemand griff es auf.
Auch Maybritt Illner nicht. Die Chance hatten ihr die Kollegen aus der Satire-Abteilung gegeben, aber die Illner mochte offenbar nicht so recht. Vielleicht war sie auch zu sehr damit beschäftigt, Christian Linder bei seinem Auftritt zu unterstützen. Denn der will schließlich in den Bundestag, da kann ein bisschen mediale zusätzliche Unterstützung nicht schaden.
Politik und Medien sind gleichermaßen blind auf dem Auge, das die Fluchtursachen ins Visier nehmen könnte. Krieg und Hunger werden zwar faktisch erkannt und durchaus anerkannt. Aber direkt im Anschluss kommt die naive Frage: Ja, aber was haben wir denn damit zu tun?
Ja, was haben wir denn bloß damit zu tun? [InfoBox]