Schlagen wir doch einmal die virtuelle Zeitung auf, zum Beispiel die „Welt“. Oder auch die „SZ“, die „Zeit“, „Spiegel online“ und wie sie alle heißen. Wir stellen fest, dass wir Angst haben sollten. Vor der Rente und davor, was sie uns kostet.
Zum Beispiel hier:
Rentenpläne der SPD kosten rund 650 Milliarden Euro
Die „Welt“ macht, was fast alle machen. Sie prügelt auf die gesetzliche Rente an. Dass die SPD gleich noch eine Breitseite obendrauf bekommt, wird gerne hingenommen. Und – fast wie immer – ein „angesehenes“ Institut kommt auch noch zu Wort: die Prognos AG. Die rechnet vor, dass die Rentenpläne der SPD den Steuerzahler richtig teuer kommen. Im sogenannten „Prognos-Rentencheck“ (gibt‘s eigentlich auch schon den „Wettervorhersage-Check“ oder den „Wann-wird-die-Fußgängerampel-um-die-Ecke-grün-Check“?) heißt es konkret:
Eine Stabilisierung des Rentenniveaus kostet den Steuerzahler bis 2040 etwa 650 Milliarden Euro
Das klingt schon ziemlich schizophren, ist es doch der Steuerzahler, der seine eigenen Rentenbeiträge einzahlt. Und es ist natürlich höchst unseriös, Prognosen bis ins Jahr 2040 zu machen, selbst wenn das Wort „Prognose“ im Unternehmensnamen steht. Prognos lässt (natürlich!) komplett unberücksichtigt, wie sich die Produktivität bis 2040 entwickelt, wie die Bevölkerungsstruktur aussehen wird, wie weit die Automatisierung fortgeschritten sein wird. Es ist also nichts weiter als ein Blick in eine äußerst trübe Glaskugel. Aber es passt ins Bild: Feindbilder aufbauen, Angst schüren, die gesetzliche Rente schlecht dastehen lassen. Mit der Exportpolitik Deutschlands hatte die Prognos AG kurz zuvor ja auch schon eindrucksvoll „abgerechnet“. Allerdings anders, als sich das vernünftige Ökonomen vorstellen würden. Denn laut Prognos (Motto: „Wir geben Orientierung“) bringen deutsche Exporte über die ganze EU verteilt fast 4,8 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Und überhaupt: ohne Deutschlands Exporte wäre alles ganz, ganz schlecht. Thomas Trares hat die „Studie“ der Prognos AG auf den nachdenkseiten auseinandergenommen, aber es bleibt immer noch genug übrig für die „Welt“ und ihre Verwandten, um auf die Rente einzuprügeln.
An dieser Stelle sei die Dokumentation „Rentenangst“ von Ingo Blank und Dietrich Krauß empfohlen. Wer sie nicht kennt, sollte sie sich zu Gemüte führen, denn sie zeigt eindrucksvoll, wer für den systematischen Ausverkauf der Rente verantwortlich ist: die Politik und die Versicherungswirtschaft. Namen wie Schröder, Riester, Rürup, Clement, Nahles, aber auch Merkel, Schäuble oder Raffelhüschen stehen für den Niedergang der Rente so sehr, wie für ihre eigenen Karrieren. Professor Dr. Bernd Raffelhünschen, der erst kürzlich als „Experte“ im ZDF-heute-journal befragt wurde (wird eigentlich mal Zeit für einen „Experten-Check“, oder?), hat auf einer Veranstaltung für Versicherungsvertreter seine intimsten Gedanken so ausgedrückt:
Aus dem Nachhaltigkeitsproblem der Rentenversicherung ist quasi ein Altersvorsorgeproblem der Bevölkerung geworden. So, das müssen wir denen erzählen jetzt …
Und er schiebt nach:
Also, ich lieber nicht, ich hab genug Drohbriefe gekriegt. Kein Bock mehr, irgendwie. Aber Sie müssen das, das ist Ihr Job.
Allgemeines Gelächter im Saal. Witzig ist das zwar nicht, aber komisch allemal. Raffelhüschen zieht die Rente in den Dreck und stellt den Versicherungsvertretern üppige Geschäfte in Aussicht, von seinen eigenen Vorteilen solcher Vorträge einmal ganz abgesehen. Prägen Sie sich das Bild von Herrn Raffelhüschen gut ein. Denn so sehen heute unabhängige Experten aus. Sollte eigentlich mal faktenmäßig gecheckt werden.
Glauben Sie nicht, was Ihnen erzählt wird!
Die Rollenverteilung ist einfach: Die gesetzliche Rente schwächelt, die private Vorsorge muss es richten. Die gesetzliche Rente ist zu teuer, die private Absicherung gewinnbringend und sicher. Die demografische Entwicklung lässt die gesetzliche Rente sterben und die private aufblühen. Nur ist all das Unsinn. Die gesetzliche Rente schwächelt, ja. Aber nicht, weil sie auf zu schwachen Beinen stände, sondern weil ihr die Grundlage nach und nach entzogen wird.
Zum Beispiel durch Riester-Verträge, deren Beiträge an der gesetzlichen Rente vorbei in die private Versicherungswirtschaft fließen. Das schwächt die Rentenversicherungsanstalt, kostet die Einzahler Gebühren und Provisionen und bringt am Ende meist deutlich weniger, als versprochen wird.
Zum Beispiel durch zu niedrige Beitragssätze, zum Beispiel durch dauerhaft sinkende Löhne, die das Rentenniveau ebenfalls sinken lassen. Klar, die Beitragssätze gering zu halten, klingt prima, wer will schon zusätzlich zur privaten Vorsorge (die sich eh immer weniger leisten können) hohe Beiträge für die gesetzliche Rente zahlen? Aber würden die Mittel, die in der Versicherungswirtschaft versanden, in die gesetzliche Rente fließen, sähe die ganze Sache schon anders aus. Zumal höhere Beitragssätze leicht zu verschmerzen wären, würden vernünftige Löhne gezahlt und die finanziellen Mittel nicht in der Versicherungswirtschaft verplempert werden.
Man muss sich das bewusst machen: Nicht die gesetzliche Rentenversicherung kostet die Steuerzahler Milliarden, sondern die Maßnahmen, die zu ihrer Schwächung führen. Das Problem daran: Das geht nun schon seit Jahrzehnten so, und in der Politik traut sich – von der Linken abgesehen – niemand, das Kind beim Namen zu nennen. Was natürlich auch daran liegt, dass die eigenen Vorteile eine Rolle spielen. Das ist – mal ganz nebenbei – auch das Kernproblem der Grünen. Sie haben erheblichen Anteil an der Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung, und keiner traut sich, das selbstkritisch einzuräumen, von einem Umdenken ganz zu schweigen.
Es gibt inzwischen zwar immer mehr Medien am Rande, die das Problem erkennen und beschreiben. Doch der Mainstream arbeitet fleißig (und erfolgreich) weiter daran, die gesetzliche Rente in ein denkbar schlechtes Licht zu rücken. Ausnahmen wie der Film „Rentenangst“ sind eine erfreuliche, aber seltene Ausnahme.
Wir erleben etwas Irrwitziges. Die Krankheitserreger, also die Politik, die für die schrittweise Zerstörung der gesetzliche Renten verantwortlich zeichnet, will uns einreden, sie könne die Symptome, die sie verursacht hat, erfolgreich bekämpfen. Durch eine Medikation, die nicht nur wirkungslos ist, sondern das Leiden der „Patienten“ noch verschlimmert. Das ist, als würde man einem Ertrinkenden zur Rettung eine Bowlingkugel zuwerfen. [InfoBox]