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Ooommm… Politik!

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Nach der Entscheidung der Linkspartei in Bundesrat in Sachen Autobahnprivatisierung sollte ein Teil der (potenziellen) linken Wählerschaft gelassen bleiben. Denn Regierungsverantwortung erzeugt Unreinheit. So ist Politik. Was mancher Linke hingegen da draußen meint, das ist – Spiritualität.

Zwei Erklärungen gibt es, weswegen viele linke Parteigänger eine Koalition mit einem Mitte-links-Partner ausschließen. Erster Grund: Weil man meint, dass die inhaltlichen Schnittmengen recht gering sind. Das kann man in vielen Bereichen durchaus mit einiger Berechtigung so sehen. Zweiter Grund: Weil man einwirft, dass Regierungsbeteiligung kompromisslerisch und machtversessen macht. Dieser Einwand ist jedoch fadenscheinig. Er zieht als apolitisierendes Alibi herauf und stattet den zoon politikon wider seiner eigentlichen Beschaffenheit mit einem spirituellen Habitus aus.

Dass von nun ab die Partei der Linken nicht mehr wählbar oder hinnehmbar sei, wie man das nach ihrem oben genannten Verhalten im Bundesrat aus vielen Netzkanälen sickern hörte, hat mit diesem zweiten transzendierenden Einwand zu tun. Dort brach die Symptomatik dieses Denkansatzes hervor.

Diese Ideal von der »Exterritorialität von der Macht« kanalisiert das politische Moment, baut darüber ein animistisches Gedankengebäude, das von einer Allreinheit kündet, einem Rückzug in ein Arkadien des Unbefleckten, in dem die komplexen Prozesse des Gemeinwesens einer frömmlerischen Orthodoxie unterordnet werden können. Als Handlungskraft in der Ruhestarre bleibt man so handlungsunfähig.

Natürlich kann und sollte man Entscheidungen wie jene der Linkspartei im Bundesrat kritisch begleiten, darf hinterfragen und auch festhalten, dass da vielleicht etwas nicht richtig gelaufen, jedenfalls nicht optimal verlaufen ist. Wobei man bei aller herausposaunten Unwähltbarkeit stets auch bedenken sollte, dass es Gründe für diese Entscheidung gab, deren sich in Regierungsverantwortung befindliche Linke nicht mit kühner Distanzierung entziehen konnten. Hierzu verweise ich allerdings nochmals auf das Gespräch zwischen meinem Kollegen und Florian Ernst Kirner, um nicht zu wiederholen, was schon an dieser Stelle Ausdruck fand.

Kann man aus diesem Dilemma folgern, dass nur Machtabstinenz linker Politik nützt? Wenn überhaupt, dann nützt sie linker Spiritualität, befriedigt sie das wohlige Gefühl, moralisch unnahbar zu sein. Als Stimme aus dem moralingetränkten Off, nicht als handelnde Instanz, die – ganz im tollerschen Sinne – schuldig werden kann, weil sie handelt, zelebriert man lieber einen Ethikanimismus, den man in Verkennung der Situation als politische Haltung verkauft. Ooommm…

Sondiert man nur noch, wer nicht mehr wählbar ist, hat man seine Wahl bereits getroffen: Der bleibt bei der Partei der Weißwesten-Moralisten. Als solcher scheut man dreckige Geschäfte. Das ist auch ganz in Ordnung. Man sollte diesen Reinlichkeitsfimmel aber bitte nicht zur Grundlage von politischen Abwägungen machen. Denn nichts wäscht so weiß, dass es unberührt aussieht.

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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