Na also, Problem behoben. Von wegen Deutschlands Exportfixiertheit, »der Erfolg der deutschen Wirtschaft« wie dieses Phänomen in den Medien gemeinhin genannt wird, schade dem restlichen Kontinent! Das Gegenteil soll nämlich der Fall sein.
Und wer hats erfunden? Genau, die Schweizer. Das Schweizer Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos hat herausgefunden, dass der Exportüberschuss Millionen von Jobs in ganz Europa, speziell aber in den Anrainerstaaten sichert. Ob da schon die Millionen von Jobs abgezogen wurden, die durch die stagnierende Binnennachfrage – als Symptom einer solchen Exportwirtschaft – verloren gehen? Die deutsche Nachfrage sei der Stabilisator Europas – wahrscheinlich kommt er gleich noch vor Schäubles Austeritätsstabilisatoren, oder? Der Leistungsbilanzüberschuss, so die Schweizer, sei überhaupt kein Problem. Und die Leitmedien wiederholen das nur zu gerne. Sie machen daraus, wie zum Beispiel der Spiegel Online, eine Anti-Trump-Kampagne. Die FAZ zieht da gleich mit, gelobt sei die dpa-Gleichschaltung. Als sei es nur dieser Mister Trump gewesen, der je zu dem Thema etwas gesagt hat.
Das Thema beschäftigt Ökonomen, die außerhalb der Neoklassik stehen, schon seit geraumer Zeit. Schon vor mehr als zehn Jahren haben sie diesen neuen Merkantilismus kritisiert und vom Export von Arbeitslosigkeit gewarnt, der den Kontinent in eine Schieflage verfrachte. Über die Jahre haben selbst Institutionen, die einer eher keynesianischen Einschätzung der Lage unverdächtig sind, diese Kritik aufgegriffen. Selbst der IWF äußerte sich dahingehend.
Dennoch kann man diese Fakten, die sich aus dem Bilanzüberschuss ergeben, natürlich einfach mit Rechenexempeln glattrühren. So gingen Studien immer – und so werden sie immer gehen. Dafür schickt man Legionen ins Studium. Sie sollen Ansatzpunkte und Zahlenreihen finden, mit deren Hilfe man die Hölle zu einem Garten Eden multipliziert. Einen weichen Faktor hier rein, einen Puffer dort einbauen, harte Zahlen, die das Zielergebnis erschweren könnten, abfedern oder ausklammern, dort noch eine Variable und ganz am Schluss koppelt man alles an einen Koeffizienten, der die allgemeine Stimmung als nicht exakte Einheit berücksichtigt und alles Errechnete ein bisschen aufweicht. So kaut es sich leichter.
So kriegt man am Ende, was man haben will. Oder richtiger: Was der Auftraggeber will. Genau das ist nämlich die Frage, die gleich am Anfang gestellt werden muss, wenn man von solchen Studien erfährt: Wer hat sie in Auftrag gegeben? Wer hat Geld hingeblättert? In dem Fall war es die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW). Und ob sie, in ihrer Funktion als »freiwillige, branchenübergreifende und zentrale Interessenvereinigung der bayerischen Wirtschaft [die] 133 bayerische Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie 41 Einzelunternehmen« vertritt, Ergebnisoffenheit als oberstes Gebot für die Arbeit von Prognos ausgab, darf natürlich bezweifelt werden. Darf nicht nur, sollte sogar – das wäre dann journalistischer Ethos.
Von der journalistischen Warte aus gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie man damit umgeht: Entweder man berichtet über eine solche Studie, nennt aber schon im ersten Satz den Auftraggeber und beleuchtet ihn. Dann hätte man in diesem Falle schreiben müssen, dass die VBW ein Lobbyist ist, der Arbeitgeberinteressen vertritt und aktuell zum Beispiel massiv für Unternehmenssteuersenkungen wirbt oder die Situation von geringfügig Beschäftigen verhöhnt. Oder aber man berichtet nicht von solchen Studien, lässt sie unter den Tisch fallen und damit wirkungslos in der Nichtbeachtung verpuffen. Eine solche Unterlassung ist kein Verschweigen eines gesellschaftlich relevanten Ergebnisses, denn man kann stark annehmen, dass die an die Presse weitergereichte Studie keine ist, die man wegen ihrer allseitigen Objektivität finanziert hat.
Klar doch, bei Spiegel Online wurde die VBW genannt. Oder sagen wir, die dpa hat sie genannt. Von dort kommt die Meldung ja. Weshalb man bei SPON die Meldung zum Aufmacher des Freitags machte, muss man dort nachfragen. Aber ob SPON, FAZ oder dpa: Das sind hüben wie drüben Profis. Die wissen wie es geht, die W-Fragen bleiben nicht einfach unbeantwortet. Man antwortet halt nicht gleich. Und ehe man erfährt, wer wem den Auftrag zur Analyse erteilte, liest man schon: »Deutschland sichert 4,8 Millionen Jobs in der EU.« So framt man. Mit Bildungsauftrag hat das alles nichts gar nichts zu tun.