Nachdem man nun weiß, wie Schulz sich Steuergerechtigkeit vorstellt, muss man wohl ernüchternd festhalten: Kohls Regierung war ja fast schon eine sozialistische – was dieses Thema anbelangt.
Der große Spitzensteuersatz von 45 Prozent soll nach Plänen der Mister 100 Prozent-SPD nicht erst ab 256.000 Euro Jahreseinkommen angewandt werden, sondern schon ab 76.200 – dafür gibt es freilich Entlastungen für die ledigen Geringverdiener im Spitzensteuersegment. Die werden nicht schon ab 54.000 mit dem kleinen Spitzensteuersatz von 42 Prozent bedacht, sondern erst bei 60.000 geht es in dieser Höhe los. Drei Prozentpunkte extra obendrauf gibt es dann ab 250.000 Euro im Jahr: Reichensteuer nennt sich das. Alles was drunter liegt ist folglich noch nicht reich. Am besten aber an der ganzen Geschichte: Alles solide gerechnet, da wird nicht zu viel versprochen – sagt jedenfalls Herr Schulz, dem Steuergerechtigkeit ein großes Anliegen ist.
Soziale Gerechtigkeit: Das ist ja sein Leib- und Magenthema. Er wiederholt es ja beständig. In allen Tonlagen. Aber es ist halt leider noch keine soziale Gerechtigkeit nur deswegen im Land, weil man möglichst oft sagt, dass man soziale Gerechtigkeit für eine dolle Sache hält. Wenn dieses Steuerkonzept aber nun den großen Gerechtigkeitswurf darstellen soll, um die Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstandes umzukehren, nach Jahren des »von unten nach oben« wieder eine Normalisierung herbeizuführen, dann weiß man in etwa, wie es um die soziale Gerechtigkeit, die Herr Schulz meint, bestellt ist.
Nun ist es ja nicht so, dass er nicht für Entlastungen für die Nicht-Reichen wäre: Bis zu 60.000 Euro bei Singles werden vom großen Spitzensteuersatz verschont. Das ist seinem großen Herz für kleine, hart arbeitende Leute geschuldet. Für die will er nämlich Politik machen. Für all die Niedriglöhner im oberen Lohnsegment, für die Quasiprekarisierten unter den Spitzensteuerpflichtigen. Gegenfinanziert wird diese Entlastung der Niedriglöhner im Hochlohnsegment dann durch die Belastung der Hochlohnmittelschicht ab 76.200.
Die belastet man nicht gleich mit 53 Prozent, wie es die Linkspartei fordert. So ein oller Sozialismus ist mit dem guten Herrn Schulz nämlich nicht zu machen. Man kann doch den Leistungsträgern nicht das halbe Geld und mehr wegnehmen. Die haben doch alles ganz alleine geleistet in ihrem Leben. Na ja, vielleicht nicht die absolvierte Hochschule, die die Allgemeinheit bezahlt hat. Und es ist ja auch ein Irrglaube anzunehmen, der arme Besserverdiener behielte von seinen 76.200 Euro nur noch 35.800 Euro, weil man ihm 53 Prozent ins Säckel einzahlen lässt. Das stimmt ja so gar nicht. Man lässt die Leute aber in dem Glauben, denn 53 Prozent als Forderung, das klingt nach Halbierung und ein paar Zerquetschten, nach Leistungsträgerfeindlichkeit, kurz gesagt: Nach sozialistischer Umverteilung – Kommunistennonsens und altem Kohl. Nach Gründen, R2G ablehnen zu können.
Am Wochenende zeigte sich Martin Schulz übrigens tief betroffen vom Tod eines Mannes, der es einfach nicht geschafft hat, den Sozialismus aus seiner Spitzensteuerpolitik herauszureformieren: Helmut Kohl. 53 Prozent waren es bei ihm. Was muss es Schulz doch an Überwindung gekostet haben, diesem im Vergleich zu ihm fast schon sozialistischen Kanzler seine Aufwartung gemacht zu haben.