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Widerstand der kleinen Hausherren

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Die Putzfrau, die man schwarz bei sich arbeiten lässt, müsse man als Versuch der kleinen Leute betrachten, Steuern zu sparen. So jedenfalls das IW zum Thema haushaltsnahe Dienstleistungen. Als kleiner Mann, der ich bin, bemitleide ich mich jetzt mal selbst.

Nach einer Schätzung des Kölner Institutes für deutsche Wirtschaft (IW) sind drei Viertel aller Haushaltshilfen in Deutschland nicht angemeldet. Zwar spricht das Institut davon, dass die Menschen für diesen Missstand sensibilisiert werden müssten, aber gleichzeitig glaubt es auch die Politik als Schuldigen nennen zu können. Die Arbeit sei nämlich zu teuer. Das mache es ja auch attraktiv, das Bodenwischen oder Bügeln selbst zu erledigen. Ist ja auch eine Frechheit, dass eine Putzfrau im Privathaushalt auch etwas von ihrem Einsatz haben will, oder nicht? Als Zwischenlösung könnte man es daher ansehen, dass man jemanden für solche Dienste unter der Hand bezahlt.

Zwischen den Zeilen liest man etwas von Widerstand, denn: »Während einige Reiche ihre Vermögen, um Steuern zu sparen, nach Luxemburg verlagern, versuchen die kleinen Leute das mithilfe von Schwarzarbeit.« Dabei hat die Bundesregierung erst vor einigen Jahren haushaltsnahe Dienstleistungen, zumindest auf der geringfügigen Ebene, erschwinglicher gemacht. Der Höchstabzug bei einer 450-Euro-Kraft liegt da inklusive sogenannter Nebenkosten bei 510 Euro monatlich – im gewerblichen Bereich darf man gut einen Hunderter obendrauf legen. Außerdem sind zwei Drittel der Kosten für Kinderbetreuung (auch das zählt zur haushaltsnahen Dienstleistung) von der Steuer  abzugsfähig. Ein freundlicher Service der Bundesregierung an Sie und Ihre Familie, lieber Leistungsträger.

Widerstand der kleinen Leute? Das Luxemburg des kleinen Mannes mit fettverspritzter Küche? Wer lässt denn bei sich putzen, waschen und betreuen? Die Alleinerziehende in Teilzeit ganz bestimmt nicht. Der Leiharbeiter vielleicht? Der kommt ja viel rum, arbeitet heute in der fränkischen Provinz, morgen vielleicht in Stuttgart oder Rosenheim. Da passt es doch, wenn eine Putzkraft währenddessen ab und an guckt, ob in dessen Wohnung alles sauber bleibt und ob noch genug Chlor im Pool ist, oder nicht? Sind das denn nicht die Leute, die ihre Reinmachefrau am Fiskus vorbei entlohnen?

Das IW beweist Humor, wenn es von kleinen Leuten spricht, die ihr Gesinde nicht ordnungsgemäß engagieren. Als ob Diener Diener unterhielten. Für die wirklich kleinen Leute ist es doch gar keine Option, sich jemanden ins Haus zu holen. Die machen das, was sie selbst schmutzig machen, auch wieder ganz alleine sauber. Das ist billiger, gerechter – ja, das ist normal und bodenständig. Was der IW als den Widerstand der kleinen Hausherren ausgibt, das ist doch etwas ganz anderes: Es spricht von Wohlstandsschichten, die anderen die Klobürste in die Hand drücken. Von solchen, die Rainald Grebe in seinem Song »Oben« persifliert, die sich eine Olga halten, die für sie die Kacke wegkratzt. Der IW bezeichnet diese Schichten nur als kleine Leute, weil man so ein Moritat anstimmen kann, in dem es um bodenständige Menschen geht, die anderen Arbeit und eine Chance geben wollen, aber das nicht legal können, weil der Staat es erschwert.  Daher der Refrain: | : Arbeit ist zu teuer! : | Und alle schluchzen mit.

Klar sagt man bei der IW zeitgleich, dass der Staat seiner Kontroll- und Fürsorgepflicht nicht nachkommt. Das kann man spielerisch tun, der Personalnotstand beim Zoll richtet es schon so, dass da ja keiner auf dumme Gedanken kommt. Auf diese Weise empfiehlt man nicht etwa Aufstockung der Zollfahndung, sondern alternativ alternativlos die Arbeit billiger zu machen. Für die kleinen Leute. Die können doch nicht dauernd im Widerstand bleiben.

Als kleiner Mann kann ich mich da nur selbst bemitleiden. Man findet gar keine günstigen und gewissenhafte Reinigungskräfte mehr. Der letzte Reiniger, der mein Klo putzte, hat das nur sehr oberflächlich erledigt. Ich wollte ihm gerade herrschaftlich die Leviten lesen, da bemerkte ich, die Reinungskraft war ja ich selbst. Kleine Leute sind nämlich nicht im Widerstand: Sie sind ihr eigenes Gesinde.

[InfoBox]

Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente
Roberto J. De Lapuente ist irgendwo Arbeitnehmer und zudem freier Publizist. Er betrieb von 2008 bis 2016 den Blog ad sinistram. Seinen ND-Blog Der Heppenheimer Hiob gab es von Mitte 2013 bis Ende 2020. Sein Buch »Rechts gewinnt, weil links versagt« erschien im Februar 2017 im Westend Verlag. In den Jahren zuvor verwirklichte er zwei kleinere Buchprojekte (»Unzugehörig« und »Auf die faule Haut«) beim Renneritz Verlag.

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