Julian Assange, Noam Chomsky, Jeremy Corbyn, Diether Dehm, Heiner Flassbeck, Stephan Hebel, Ken Jebsen, Oskar Lafontaine, Jean-Luc Mélenchon, Albrecht Müller, die NachDenkSeiten insgesamt, Podemos, Paul Schreyer, Syriza, Yannis Varoufakis, Sahra Wagenknecht, Slavoj Žižek. Das ist in alphabetischer Reihenfolge die Liste derer, die Thomas Ebermann in der aktuellen »konkret« als Rechte verortet.
Der Ökosozialist hat seinen Text mit »Die Nationale« überschrieben und dann Zeile für Zeile ordentlich ausgeteilt. Argumente? Nun, die sind über sechs Seiten ziemlich rar gesät. Ebermann vermittelt mehr so subjektive Eindrücke, publiziert die eigene Befindlichkeit und sublimiert sie zu einer höheren Wahrheit ganz ohne analytische Textbausteine. Ziel seines Angriffs sind nicht etwa die wirklichen Nationalisten, die sich in Europa länderübergreifend zwischen plumpen Rassismus und raffinierten Ethnopluralismus gebaren. Nein, er hat den Feind unter Linken ausgemacht: Sie sind die eigentliche Gefahr für ihn, weil sie querfronteln; weil sie angeblich die Einheitsfront und den Schulterschluss mit den Petrys, Wilders, Le Pens anstrebten.
Alles Nationalisten und Rechte. Besonders übrigens die NachDenkSeiten, denn deren Inhalt »und das entsprechende Sortiment des rechtsradikalen Kopp-Verlags [seien] in diesem Punkt ununterscheidbar«, wie Ebermann behauptet. Da staunt man schon ein bisschen. Der Kopp-Verlag führt Bücher, die zum Beispiel die Kriegsschuld des Deutschen Reichs unter Hitler leugnen. Unter Zeitgeschichte verkauft man Bücher, die die »ruinöse Masseneinwanderung unter der Flagge des Multikulturalismus als Produkt einer offenen Verschwörung der Eliten« einstufen. Wo bitte ist hier die Deckungsgleichheit zu finden? Da muss man schon auf die Metaebene gehen. Nicht etwa auf eine inhaltliche Metaebene, sondern auf eine operierende. Beide Publikationen haben nämlich eine grundlegende Sache gemein: Sie benutzen die deutsche Variante des lateinischen Alphabets. Das war es aber auch schon.
Oder dann ist da noch Stephan Hebel, Journalist bei der »Frankfurter Rundschau«, dem Ebermann unterstellt, er hätte zu viel Verständnis für Rassisten und Nationalisten, wie man ja schon am Titel seines aktuellen Buches »Sehr geehrter AfD-Wähler, wählen Sie sich nicht unglücklich!« erkennen könne. »Jedes humanistische Argument [würde] in diesem Buch überlagert von Berechnungen der instrumentellen Vernunft«, wirft er Hebel vor. Es gehe nur um »die volkswirtschaftliche Nützlichkeit der Ausländer«. Was er dem Mann vorwirft, das kann man in einen kurzen Satz packen: Lieber Herr Hebel, warum schelten Sie nicht, warum klären Sie auf? Und verdammt, wieso haben Sie eigentlich Argumente und ich nicht?
Slavoj Žižek wiederum will er anhängen, dass er sich nicht mit der Willkommenskultur und geöffneten Grenzen arrangieren will. Weil zum Beispiel Sahra Wagenknecht und Jeremy Corbyn ähnliche Ansätze vertreten, mussten auch sie sich weiter vorne im Text von Ebermann in die Ecke der normativen Rechten verorten lassen. Žižek aber geht natürlich (in seinem aktuellen Buch) noch weiter, er nennt diejenigen »die größten Heuchler, […] die offene Grenzen fordern«, die jedoch »insgeheim wissen […], dass es dazu nie kommen wird.« Solche Leute würden sich als »schöne Seelen« inszenieren. Und was bringt Ebermann als Gegenargument? Desinteresse und Schwerpunktverlagerung – nämlich: »Ich will gar nicht beurteilen, ob das auf einige zutrifft. Ich weiß allerdings, gegen wen das schlicht niederträchtig ist: gegen praktisch aktive Antirassisten.« Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Er will das nicht beurteilen, beurteilt dann aber, was der Philosophieprofessor gemeint haben könnte.
Eines aber verweigert der Autor dieser Philippika grundsätzlich: Er klopft eben nicht mal intellektuell ab, ob an diesen von ihm kritisierten linksliberalen Gedanken, nämlich dass offene Grenzen eben kein progressives Projekt seien, etwas dran sein könnte. Ob also eine Schlagbaumlosigkeit nicht vielleicht doch nur zu höheren Ehren des Neoliberalismus gedacht werden muss. Denn wo Freizügigkeit eben nicht nur das Recht des Bürgers, sondern immer primär als Freizügigkeit des Billiglohnarbeiters angesehen wird, da es nicht um Fortschritt, sondern um reaktionäre Arbeitsmarktpraktiken. Und das ist für eine Linke, die sich selbst ernst nehmen möchte, kein gangbarer Schritt.
Thomas Ebermann bleibt sich in seinem Text insofern treu, dass er es durchweg mit Schwammigkeit versucht. Fassbar wird darin recht wenig. Was er sammelt sind diverse Bauchgefühle, die er zu einer irgendwie für ihn allgemeinen unzufriedenen Gesamtsituation ordnet und aus der man als Leser dann schon herausfiltern kann, was er den aufgezählten Linken und Linksliberalen zu Last legt: Sie bedienten angeblich einen neuen Nationalismus und betrieben einen zu laxen Umgang mit der Europäischen Union. Tatsächlich könnte man bei letzterem Punkt einhaken und teils beipflichten: Stimmt schon, viele Linke sind da sehr destruktiv. Wenn man jemanden aber Destruktivität vorwirft, sollte man möglichst konstruktiv argumentieren. Zu sagen, dass man deswegen zum Rechtspopulisten wird oder sich gar noch mit denen kuscheln legt, das ist so ausgemachter Unsinn wie Ausdruck eines arg schlichten Stils.
Überhaupt kann man annehmen, dass Ebermann das, was er als diesen neuen linken Nationalismus wahrnimmt, überhaupt nicht so richtig versteht. Oberflächlich betrachtet stimmt es ja schon: Es gibt eine linke Besinnung auf den Staat. Die Auflösung der Nationalstaaten, die man in unreflektierten linken Kreisen zuweilen als Parole im Mund führt, ist augenblicklich eher kein Mainstreamthema links des Mainstreams. Warum? Weil man konkrete Perspektiven braucht, konstruktive Vorstellungen dessen, wie sich eine neue Kontintal- und Weltordnung aufstellen sollte. Und da ist wenig geboten, was den Staat entbehrlich machen könnte. All die genannten Personen vertreten ja eben nicht den Nationalstaat, der als Ausbund chauvinistischer Arroganz wirkt, sie wedeln ja nicht mit Flaggen und keiner von ihnen fühlt sich als Chauvinist rassisch überlegen. Sie betrachten den Nationalstaat eben nicht so, wie es ihre rechten Kontrahenten tun: Sie wollen ihn als übergeordnete Verwaltungseinheit begreifen. Die Neoliberalen hatten ihre Deutschland AG – die Linken begreifen das Land eher als Deutschland-Amt. Die, die Ebermann eigentlich meint, die zelebrieren Deutschland-Kirche.
Dieses Deutschland-Amt meint damit folgendes: Es ist ein historisch gewachsenes Segment, das in seiner modernen Spielart dazu dienen sollte, gewisse verwaltungsrelevante Abläufe zu steuern und so vollziehen. Patriotischer Klimbim oder nationalstisches Zelotentum ist überhaupt nicht das Thema von all den Leuten, die Ebermann aufführt. Keiner wirbt für sein Vaterland als etwas, wofür es sich zu sterben oder zu töten lohnte. Nichts »est dulce et decorum« fürs Vaterland. Man wirbt aber wohl für den Staat als übergeordneten Verwaltungsakt, der Steuern erhebt, der umverteilt und für Teilhabe und Gerechtigkeit sorgt. Den letzten Satz bitte im Konjunktiv denken. Denn darum geht es ja: So sollte der Staat mal funktionieren. Der Internationalismus ist ja übrigens nicht aus dem Sinn. Man kann ihn aber nicht in ideologischer Neurose über das Knie brechen. Und ein internationalistischer Prozess muss natürlich auch immer damit befasst sein, dezentralisierende Elemente zu bewahren, föderale Strukturen zu erhalten, die es erlauben, näher an den Menschen innerhalb der Verwaltungsprozesse zu bleiben.
Das ist so eine bequeme Position, wenn man sich als altgedienter Linker hinstellt und so tut, als habe man aufgrund seines langen linken Lebens so viel Erfahrung gehortet, dass alle anderen im Grunde immer gleich Nazis sind. Da wähnt man sich gleich selbst dogmatisch gereinigt. Das fühlt sich sicher herrlich an. Die Ökosozialistin aus Frankfurt praktiziert das zuweilen nicht so viel anders. Ob nun sie oder Herr Ebermann: Beide haben ja sicherlich auch Ansätze, die man berücksichtigen kann. Frau Ditfurth mehr als Herr Ebermann übrigens. Aber sich dann mit spirituellen Habitus zu zieren und einfach mal austeilen, weil einem jemand nicht hundertprozentig gefällt, das ist eine ganz müde, auch lächerliche, ja eine nicht zuletzt völlig weltfremde Nummer.
Mensch, ihr Altvorderen, habt ihr vielleicht nur ein einziges Mal daran gedacht, dass sich die Welt seit der Zeit eurer Sozialisation ein klein wenig verändert hat? Ihr kämpft noch immer die alten Gefechte. Dröselt sie neu auf, rekrutiert alte Feindbilder und kitzelt euren avantgardistischen Narzissmus, der es euch rät, sich auf Kosten anderer zu stilisieren. Und so bleibt ihr weiterhin in einer Weltfremdheit verfangen, die ihr euch wahrscheinlich einst als dickes Fell und Schutzpanzer zugelegt habt, als man euch im realen politischen Leben übel mitgespielt hat. Das Fell wäre gar nicht mehr nötig. Aber es ist wohl kuschelig warm darunter und man kann es sich über den Kopf ziehen und muss all die Nazis nicht mehr sehen, die ganz oben im Text alphabetisch sortiert aufgelistet sind.